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Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live

Titel: Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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entfernt tuckerte der Rio-Grande-Zug vermutlich gerade zwischen falschen Kakteen und Indianer-Attrappen hindurch, und Oldtimer-Nachbildungen fuhren wie Straßenbahnen auf Gleisen. Es war nicht viel nötig, um die Phantasie von Kindern anzuregen, solange sie noch klein waren – solange sie noch nicht das Alter erreicht hatten, in dem ihnen beigebracht wurde, sich vor allem zu fürchten, was nicht echt war.
    Er selbst besuchte Gulliver’s Kingdom nicht mehr. Er war seit drei Monaten nicht mehr dort gewesen, seit jenem Tag im Juli. Doch in Gedanken sah er sich noch immer vom Music
House durch das Millenium-Labyrinth gehen und über die Stepping Stones zum Lilliput Land Castle wandern. In dem Schloss gab es ein Spiegelkabinett. Er liebte die Zerrbilder und genoss das Wissen, dass das Schloss einer der Orte auf der Welt war, an dem jeder eine verzerrte Version der Wirklichkeit sah, nicht nur er. Er hatte immer eine Weile davorgestanden und die bruchstückhaften Bilder betrachtet, ohne sich auf ein bestimmtes Detail zu konzentrieren. Stattdessen hatte er die Formen am Rand seines Blickfelds verschwimmen und zittern lassen, während er sanft hin und her schwankte. Dann war er weitergegangen, vorbei an den riesigen Schachfiguren zur Fantasy Terrace.
    Sie hatten ihn gebeten, nicht mehr in Gulliver’s Kingdom zu kommen. Es hieß, er würde die Kinder verängstigen. Doch es gab nichts, wovor man Angst hätte haben müssen, oder? Er hatte seine Halluzinationen inzwischen voll unter Kontrolle. Er konnte sie mit der Hand packen und umherschleudern, konnte zusehen, wie das Licht mit ihren Farben spielte, konnte den Ton anschalten, solange er ihnen zuhören wollte, und ihn dann wieder abschalten.
    Es war gut, sich selbst einen kleinen Blick in diese Welt zu gestatten und zu wissen, dass er die Kraft hatte, sie auszublenden, wann immer er wollte. Das war, als besäße er den Schlüssel zu einer Tür, die ihm einen Blick in ein fremdes, verführerisches Universum erlaubte. Die Verlockung, hin und wieder einen Blick zu riskieren, war viel zu groß, nicht wahr?
    Dr. Sinclair hatte ihm erklärt, dass es sich nur um eine andere Möglichkeit handelte, die Realität zu betrachten, und dass es keinen Grund gab, sich zu fürchten. Solange alles unter Kontrolle war, bestand kein Grund zur Sorge. Und das war es in diesem Moment. Alles war unter Kontrolle.

33
     
     
     
     
    N eben dem Bahnhofsparkplatz in Matlock Bath hatte eine Lorbeerhecke ihre großen schwarzen Beeren überall auf dem Weg verteilt, wo sie von Fußgängern zertreten worden waren. Niemand hatte die Beeren gepflückt – zumindest niemand, der einen gesunden Menschenverstand besaß. Lorbeeren sahen zwar sehr ansprechend aus, waren aber giftig.
    »Wir können mit der Gondel hochfahren«, sagte Cooper. »Das geht wesentlich schneller.«
    Die Gondeln im alpinen Stil hatten die Zickzack-Pfade, die den Hang hinaufführten, als schnellster Weg zu den Heights of Abraham abgelöst. In der Nähe der Bergstation am Gipfel war der Turm zu erkennen, auf dem eine Fahne im Wind flatterte.
    »Oh, ich weiß nicht...«
    Cooper lachte. Er hatte Kotsev auf dem Weg aus dem Büro in der West Street getroffen, und der Bulgare war ihm nicht mehr von der Seite gewichen und hatte versprochen, nicht im Weg zu sein. Sergeant Fry habe ihm gesagt, er solle darauf achten, dass er sich anständig benahm, hatte er erzählt.
    »Keine Sorge, Georgi. Sie haben doch nicht etwa Angst?«
    »Nein, nein. Das ist kein Problem.«
    Sie stiegen in eine der Gondeln. Sie hätte eigentlich sechs Personen Platz geboten, doch an diesem Tag herrschte kaum Betrieb. Die Türen gingen zu, und die Gondeln drehten sich langsam, bis sie plötzlich aus der Talstation ins Licht schwangen. Cooper und Kotsev fuhren sofort steil nach oben und
schwebten hoch über dem Fluss und dem rasch schrumpfenden Verkehr auf der A6. Die Seitenwände der Gondel bestanden vom Boden bis zur Decke aus klarem Acrylglas, sodass man nach unten auf den Boden blicken konnte, der bereits weit unter ihnen lag und sich sekündlich weiter entfernte.
    » Dyavol da go vzeme . Oh, Gott.« Kotsev hielt sich die Augen zu und klammerte sich an der Kante des Sitzes fest.
    »Sind Sie sicher, dass Sie keine Höhenangst haben?«
    »Ist schon okay. Okay, okay.« Er riskierte einen kurzen Blick zwischen seinen Fingern hindurch. » Mamka mu! «
    Als sie den höchsten Punkt über dem Tal erreicht hatten, atmete Kotsev, der inzwischen schwitzte, tief durch, um sich zu

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