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Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live

Titel: Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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über die Gleise gehen und einem Fußweg zur Talstation der Gondel folgen.
    Er kam an einem Grundstück vorbei, auf dem Ersatz-Gondeln gelagert wurden. Halbe Gondeln, genauer gesagt. Sie sahen aus, als seien sie aufgeschnitten worden, um ihre Innereien zu entblößen. Das Brummen von Motoren und das Quietschen von Seilen auf Rollen steigerte sich zu einem tosenden Dröhnen, als eine Gruppe von Gondeln aus der Talstation herausschwenkten und wippend und schaukelnd den Aufstieg begannen. Hoch über der Ortschaft und halb verborgen von den Bäumen, verliefen parallel zwei Seile in entgegengesetzte Richtung, die von einem riesigen Stahlrad im Dach der Gondelstation angetrieben wurden. Er stellte erleichtert fest, dass alle Gondeln leer waren. Zu dieser Jahreszeit war auf den Heights of Abraham nicht viel Betrieb, da die Kinder wieder zur Schule gehen mussten.
    Als er am Treetops Centre ankam, entdeckte er ein Schild mit der Aufschrift: Wohin als Nächstes? Gute Frage. Neben dem High-Falls-Laden stand eine Holzskulptur, die jemand mit Hilfe einer Kettensäge und eines Elektrohobels geschnitzt hatte.
    Ein schmaler Eingang führte in den Victoria Prospect Tower. Auf halbem Weg die Stufen hinauf kam nichts mehr von dem Licht an, das durch die Öffnung an der Spitze des Turms
fiel, und es war nur das schwache Leuchten einer Gitterlampe an der Wand unterhalb des Handlaufs zu sehen. Außen waren die Treppenstufen abgewetzt von den Füßen Tausender Besucher, während sie innen, wo sie zu schmal waren, um betreten werden zu können, noch die Werkzeugspuren des Steinmetzen trugen.
    Der Turm war gebaut worden, um die Aussicht auszunutzen und um Arbeitslose zu beschäftigen. Darüber hinaus verfügte er über eine Besonderheit: eine echte Wendeltreppe. Es gab keine Mittelsäule, und die Stufen liefen so spitz nach innen zu, dass sie den Füßen nur dann genug Platz boten, wenn man sich dicht an der Außenwand hielt und sich am Handlauf festklammerte.
    Schließlich stand er ganz oben auf der Plattform des Turms, die eine Aussicht in alle Himmelsrichtungen bot. Heute war es jedoch so neblig, dass es ihm vorkam, als würde ein stetiger Nieselregen auf ihn herabfallen. Spinnennetze in den Hagedornbüschen hatten die Feuchtigkeit gesammelt und glitzerten wie silberfarbene Taschentücher, die jemand zwischen den Zweigen drapiert hatte.
    Lowther blickte über die Brüstung. Unter ihm lag Matlock Bath, und die A6 und der River Derwent schlängelten sich unter den Felsen des High Tor nach Norden. Masson Hill und High Tor waren irgendwann einmal auseinandergebrochen. Der Riss im Berg war die Verlängerung der Mineralader, die auch die Masson-Höhle auf der gegenüberliegenden Seite des Tals bildete. Er hörte den Verkehr auf der Straße, das Scheppern von Baumaschinen, die irgendwo arbeiteten, und eine Schar von Dohlen auf dem Hügel. Dann erwachten die Seile surrend zum Leben, als eine weitere Gruppe von Gondeln den Abstieg begann.
    Die Gondeln hielten kurz vor dem Ende der Fahrt nach oben automatisch an, damit Besucher die Aussicht bewundern und Fotos machen konnten. Er hatte auf dem Weg zur
Bergstation ebenfalls dort gehangen, ganz allein in seiner Kabine, hoch oben über dem Boden. Wohin als Nächstes? Die Antwort war allzu verlockend. Er hatte sich vorgestellt, wie seine Gondel sich vom Seil löste und auf die A6 hinabstürzte und wie der Wind durch die Ritzen pfiff, während sie fiel und sich dabei langsam in der Luft drehte. Vielleicht hätte das Geräusch des Windes die Stimmen übertönt. Der Aufschlag am Boden hätte womöglich die Welt angehalten, die in seinem Kopf herumwirbelte, und die Farben und Formen verscheucht, die in seinen Gedanken wie Spinnen näher an den Rand seines Blickfelds herangekrochen kamen.
    Als er Richtung Süden blickte, sah er die Kuppel des Pavillons und das Fishpond Hotel. Am südlichen Ende der Ortschaft, hoch oben zwischen den Bäumen, befand sich der Gulliver’s-Kingdom-Themenpark mit seinen Mauer- und Ecktürmen und dem Kreischen von Kindern, die mit der Achterbahn fuhren. Von dort kamen die meisten Stimmen. Die Stimmen von Kindern. Er hatte Schwierigkeiten, sie zu ignorieren, und noch größere Schwierigkeiten, sie zu verstehen.
    Wenn er zwanzig Pence in das Teleskop geworfen hätte, dann hätte er vielleicht bis in den Themenpark sehen können. Eventuell hätte er das Piratenschiff an der Bourbon Street erkennen können oder die singenden Frösche und einen sprechenden Apfel im Palais Royal. Weiter

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