Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
Sirenen wachte Cooper immer automatisch auf, auch wenn er sich in ungewohnter Umgebung befand. Er lauschte einen Augenblick lang, bis er das markante krächzende Horn eines Feuerwehrfahrzeugs erkannte, das sich irgendwo im Norden einer Straßenkreuzung näherte. Also hatte es nichts mit ihm zu tun – zumindest nicht sofort. Zu dieser Jahreszeit galt der Notruf vermutlich einem Guy-Fawkes-Feuer, das verfrüht angezündet worden war. Es war jedes Jahr dasselbe – die Leute konnten einfach nicht bis zum fünften November warten. Bald würden auch die ersten Feuerwerkskörper gezündet werden. Jede Nacht würden überall in der Stadt Explosionen zu hören sein, und bei der Polizei würden Beschwerden über Jugendliche eingehen, die Knallkörper in die Briefkästen von Rentnern gesteckt hatten.
Die Sirenen verklangen langsam in der Ferne. Cooper erinnerte sich, wo er war, und drehte sich wieder um. Er spürte die angenehme Wärme eines Körpers neben sich im Bett und vernahm das beruhigende gleichmäßige Atmen, das bedeutete, dass er mitten in der Nacht nicht allein war.
Es machte einen großen Unterschied, jemanden bei sich zu haben. Und es war ausnahmsweise einmal nicht seine Katze.
15
Mittwoch, 26. Oktober
E s war Jimi Hendrix. Als Cooper am nächsten Morgen die Dose Swan-Feuerzeuggas sah, wusste er sofort, wo er schon einmal eine solche Dose gesehen hatte: auf einem jener klassischen Rock-Poster, auf dem zu sehen war, wie Hendrix beim Montreux-Pop-Festival seine weiße Stratocaster in Brand steckte.
Könnte das 1967 gewesen sein? Ungefähr zu dieser Zeit. Angeblich hatte Hendrix das Gefühl gehabt, die britische Band The Who habe ihm die Show gestohlen, weil ihre Mitglieder am Ende des Auftritts ihre Instrumente zerstört hatte. Bei seinem eigenen letzten Titel hatte Hendrix das Publikum angegrinst, seine Gitarre mit Feuerzeuggas besprüht, ein Streichholz angezündet und die letzten Noten durch die Flammen hindurch gespielt. Das war einer der denkwürdigen Augenblicke in der Geschichte der Rockmusik gewesen – verrückt und gefährlich.
»Eine Hundert-Milliliter-Dose kostet ungefähr drei Pfund, aber man bekommt sie nicht an jeder Ecke«, erklärte Fry, nachdem Cooper die Dose begutachtet hatte.
»Dann haben wir ja eine Chance, den Laden ausfindig zu machen, wo sie gekauft wurde.«
»Ja, die hätten wir, wenn wir genug Leute zur Verfügung hätten.«
Auf dem Poster, das Cooper im Zimmer eines Freundes an
der Wand hatte hängen sehen, war die Dose deutlich in der Hand des Gittaristen zu erkennen gewesen. Sie hatte genauso ausgesehen wie diese: eckig und gelb, dieselbe Farbe wie Hendrix’ Rüschenhemd.
»Auf jeden Fall haben wir heute früh von Downies Leuten im forensischen Labor ein vorläufiges Gutachten zugefaxt bekommen.« Der neutrale Tonfall von Frys Stimme verriet nicht, ob es sich um gute oder schlechte Neuigkeiten handelte.
»Was steht drin?«
»Ich lese es dir vor: ›Das Labor hat zwei Beweisstück-Behältnisse mit Überresten vom vermutlichen Brandherd erhalten. Aus beiden Behältnissen wurde jeweils eine Gasraumprobe chromatographisch analysiert. Das Chromatogramm zeigt charakteristische Peakmuster des gebräuchlichen Kohlenwasserstoff-Brennstoffs n-Butan.‹«
»Also Feuerzeuggas.«
»Richtig. Genauer gesagt Butan-Feuerzeuggas. Die positiven Proben stammen von einem Stück Teppich aus dem Wohnzimmer der Mullens und von der Spielzeugkiste in der Ecke beim Videorekorder. Es wurde nicht viel Brandbeschleuniger benutzt – allerdings war auch keine große Menge nötig.«
»Er könnte auch versehentlich verschüttet worden sein, oder?«, schlug Cooper vor.
»Hast du schon mal versucht, versehentlich Feuerzeuggas zu verschütten?«
»Ich rauche ja nicht mal und habe nie geraucht.«
»Tja, es wird in Sprühdosen wie dieser hier verkauft, mit einem Druckventil, das genau in das Feuerzeug passt.«
»Okay, das habe ich gesehen.«
»Das Schlimmste, was einem versehentlich passieren kann, ist, dass man etwas Sprühnebel entweichen lässt, der sich an den Fingern kühl anfühlt. Um es zu verschütten, muss man das Oberteil von der Dose abbrechen.«
»Trotzdem könnte das eines von den Kindern der Mullens gemacht haben, Diane.«
»Vielleicht. Also wer von den Mullens war Raucher – Brian oder Lindsay?«
»Das weiß ich nicht.«
»Die Antwort lautet, keiner von beiden. Und warum hat die Spurensicherung keine Dose Feuerzeuggas im Haus gefunden? Die sind aus Metall, also wäre sie
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