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Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)

Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Todesnacht: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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Verhör.
    »Was haben Sie eben gemeint?«, fragte er.
    »Mach mir doch nichts vor, Junge. Du weißt bestimmt, dass ich im Knast war. Sonst wärst du ja wohl nicht zu mir gekommen«, sagte Jónatan griesgrämig.
    Verdammt. Wie dilettantisch, den Mann so unvorbereitet zu vernehmen.
    »Nein, ich schaue mir normalerweise nicht die Strafregister von allen Leuten an, mit denen ich reden muss«, sagte Ari und hoffte, überzeugend zu klingen.
    »Ich kann mir vorstellen, dass das nicht besonders erheiternd ist«, meinte Jónatan, während er mühsam bergab ging.
    »Weshalb haben Sie denn gesessen?« Ari ärgerte sich, kostbare Zeit mit Fragen zu vergeuden, die er auf der Wache im Handumdrehen selbst hätte beantworten können.
    »So eine scheiß Drogengeschichte, schlag’s einfach nach. Ich war weder schuldig noch unschuldig.« Er zögerte und schien die Sache dann genauer erläutern zu wollen. Ari wusste aus Erfahrung, dass jeder für alles eine Entschuldigung hatte. »Ich hab’s für Geld gemacht, verstehst du, hab was übers Meer geschmuggelt, das war nicht meine Idee.«
    »Kannten Sie Elías gut?«
    »Gut? Nee, kann ich nicht behaupten. Ich erinnere mich nur an ihn …« Seine Stimme brach, er räusperte sich. »Erinnere mich, dass er bei uns auf dem Land war. Er hat nicht mal bei mir vorbeigeschaut, als er nach Siglufjörður gezogen ist. Ich habe überhaupt erst erfahren, dass er hier wohnte, als ich in den Nachrichten von dem Mord gehört habe. Ich mische mich nicht unter die Leute, deshalb höre ich keinen Klatsch im Ort.«
    »Wohnen Sie schon lange hier?«
    »Seit mein Vater starb, das ist jetzt fünf Jahre her. Da war meine Mutter schon tot. Ich wollte diesen verdammten Hof nicht übernehmen, es gab fast kein Vieh mehr und nichts zu tun, außer aufs Meer zu schauen und an alte … an alte Zeiten zu denken.« Seinem Tonfall nach zu urteilen waren diese Erinnerungen nicht besonders schön.
    »Wann waren Sie in diese Drogengeschichte verwickelt?«, fragte Ari. Sie waren jetzt kurz vorm Supermarkt.
    »Das ist lange her«, sagte Jónatan mit wehmütiger Stimme. »Lange her. Bevor meine Eltern starben. Ich zog nach Reykjavík, um was zu lernen. Man muss ja was lernen. Als ich aus dem Knast kam, zog ich wieder in den Norden. Hatte sonst keinen Zufluchtsort. Dann starb meine Mutter, mein Vater versuchte, den Hof am Laufen zu halten und starb dann im selben Jahr … Da gab ich auch auf. Meine Geschwister kauften dieses Haus für mich, für einen günstigen Preis.« Er blieb stehen, drehte sich mühevoll um und nickte in Richtung seines kleinen Hauses. »Meine Geschwister sind alle nach Reykjavík gezogen, wohnen in irgendwelchen idyllischen Vororten.« Er grinste und fügte dann hinzu: »Sie besuchen mich nie. Hier gab es eben billigen Wohnraum, und es passte ihnen gut in den Kram, mich abzuschieben, schön weit weg.«
    »Was machen Sie hier im Ort?«
    Er stand jetzt vor der Tür zum Supermarkt. »Tja … man kann sagen, dass ich Rentner bin. Frührentner.« Er grinste wieder. »Ich kriege Stütze, mein Körper macht nicht mehr mit. Ich krebse so vor mich hin. Weiß nie, welcher Tag ist. Nur den Unterschied zwischen Wochentag und Wochenende, den weiß ich immer. Weißt du, wie ich das mache?«
    Ari stand reglos da, antwortete nicht.
    »Wenn ich morgens aufwache, schaue ich aus dem Fenster. Wenn Leute unterwegs sind, ist ein Wochentag, und wenn nicht, ist Wochenende. Das reicht mir. Das Leben kann so verdammt einfach sein, wenn man allen scheißegal ist.« Er schlurfte in den Laden, ohne sich noch einmal umzuschauen.

23 . Kapitel
    Jónatan hatte keine Ahnung, was er im Supermarkt kaufen sollte. Er war knapp bei Kasse und hatte eigentlich alles im Haus, etwas Milch, Quark und Reste vom gestrigen Abendessen. Er hatte diesen Polizisten nur nicht ins Haus lassen wollen, und Einkaufengehen war die einzige Idee gewesen, auf die er gekommen war.
    Und warum wollte er die Polizei nicht im Haus haben? Er musste zugeben, dass es auch damit zu tun hatte, dass bei ihm so ein Durcheinander herrschte, denn er räumte schon lange nicht mehr auf, es kam sowieso nie jemand zu Besuch.
    Andererseits befürchtete er auch einfach, sich zu verplappern, seinem Herzen Luft zu machen. Wobei das vielleicht gar nicht so schlecht gewesen wäre. Besser, als die Wahrheit mit sich herumzuschleppen. Auf seinem kaputten Rücken. Wie blöd, einfach den Hang runterzulaufen, ohne den Gehstock mitzunehmen. Er hatte ihn in der Eile vergessen und stand jetzt

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