Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
Inoffizielles, und falls es erforderlich war, würde sie jedes einzelne Wort verwenden – wahrscheinlich in einem anderen Sinne, als Svavar vermutete.
Er hatte sich auf den einzigen Stuhl im Wohnzimmer gesetzt. Ísrún stand mitten im Raum, wartete auf eine Aufforderung, doch als diese ausblieb, ging sie in die Küche, kam mit einem kleinen Hocker zurück und setzte sich.
»Verstehe«, sagte Svavar schließlich mit erschöpfter Stimme. »Vorbereitungsarbeit. Sie arbeiten bestimmt für diesen Typen, der eben in den Abendnachrichten war.«
Mist. Sie hätte sich besser ausdrücken sollen. Sie würde bestimmt nichts Vernünftiges aus Svavar herausbekommen, wenn er glaubte, dass sie für Kommi in Reykjavík arbeitete. Das wusste sie aus Erfahrung. Die Leute wollten mit denen reden, die den meisten Einfluss hatten – und Fernsehreporter hatten ziemlich viel Einfluss.
»Nein, genau andersrum«, log sie. Leichte Gewissensbisse, nicht weiter schlimm. »Er arbeitet für mich. Ich wollte ihn nicht mitnehmen. Jemand musste ja den Bericht in Reykjavík zusammenschneiden. Eine schreckliche Puzzlearbeit.« Sie lächelte. »Kannten Sie Elías gut?«
»Ja«, murmelte er. »Sehr gut. Ich habe jahrelang für ihn gearbeitet.«
»Was war er für ein Chef?«
Er schwieg einen Moment und sagte dann: »Ein verdammt guter.«
»Fleißig?«
»Ein Arbeitstier.«
»Hatte er viele Mitarbeiter?«
»Hauptsächlich wir drei.« Svavar räusperte sich und rieb sich die Hände. »Ich, Logi und Bullen-Palli. Die wohnen beide in Siglufjörður. Elli war Bauunternehmer.«
»Gab es viel zu tun?«, fragte Ísrún sofort. Sie versuchte, längere Pausen zu vermeiden und wollte Svavar am Reden halten.
»Ja, mehr als genug. Oft Nachtarbeit. Dieser Tunnel soll ja fertig werden, bevor wir alle tot sind. Er wird wohl im Herbst eröffnet.«
»Und was ist Ihrer Meinung nach mit Ihrem Freund geschehen?«
»Keine Ahnung«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen und strich sich über die unrasierte Wange.
»Aber Sie würden es gerne wissen, oder?«
»Na klar«, stieß er hervor, allerdings wenig überzeugend. Ísrún fand, dass sein gesamtes Verhalten darauf hinwies, dass er irgendetwas wusste.
»Ist er mit dem Gesetz in Konflikt geraten?«
»Warum fragen Sie das?«
Sie spürte geradezu, wie Svavar der Schweiß ausbrach, obwohl sie zum Glück recht weit von ihm entfernt saß.
»Wissen Sie nicht, dass ein Journalist nie seine Informanten preisgibt?«, fragte sie lächelnd.
»Der Elli war grund…, äh, grund… anständig«, nuschelte er nach einer Weile. »Man soll nicht schlecht über die Toten reden.«
»Manchmal gehört das zum Job. Gab es keine Beschwerden, keine Ungereimtheiten, von denen Sie etwas mitbekommen haben?«
»Hören Sie, lassen Sie den Scheiß!« Er wurde lauter und machte Anstalten aufzustehen, sackte dann jedoch in sich zusammen. »Das ist kein verdammtes Verhör! Halten Sie sich etwa für eine Polizistin? Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Ich habe das Gefühl, dass Sie das genau wissen. Hat die Polizei heute mit Ihnen geredet?«
»Ja, die waren heute hier«, murmelte er, wieder etwas ruhiger. »Ich habe denen dasselbe gesagt wie Ihnen. Ich war die ganze Nacht zu Hause, ich habe ihn nicht umgebracht.«
»Danach habe ich Sie doch gar nicht gefragt«, beschwichtigte Ísrún ihn, zufrieden, erfahren zu haben, dass er von der Polizei verhört worden war. Immerhin etwas, ein kleines Appetithäppchen für Kommi und Ívar, während sie weiter auf eigene Faust recherchierte.
»Reicht Ihnen das jetzt?«, sagte er schließlich, etwas energischer als vorher, als hätte er endlich die Kraft, wie ein Hausherr in seinem eigenen Haus aufzutreten.
»Doch, das reicht. Sie können sich gerne bei mir melden, wenn Ihnen noch etwas einfällt.« Sie schrieb ihre Telefonnummer auf einen Zettel und gab ihn Svavar, bereute es jedoch sofort. Der Kerl war ihr irgendwie nicht geheuer.
Als Ísrún wieder draußen war, blieb sie vor ihrem roten Auto stehen und holte ihr Handy heraus, um Bericht zu erstatten und Zeit zu schinden. Danach würde sie nach Akureyri fahren und dort übernachten.
Sie erreichte Kommi sofort. Er hatte sein Handy immer dabei.
»Hi, bist du im Norden?«, fragte er.
Im Hintergrund hörte sie Verkehrslärm. Wahrscheinlich war er auf dem Weg von der Schicht nach Hause.
»Ja, in Dalvík. Ich habe mit Svavar gesprochen. Er wurde heute von der Polizei vernommen.«
»Wirklich? Darüber hat noch niemand
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