Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
und Hlynur war sich nicht sicher, welche die richtige war, kannte aber keine von ihnen.
Tómas und Ari waren am Abend zu einer Lagebesprechung nach Akureyri eingeladen worden. Tómas hatte vorgeschlagen, am späten Nachmittag loszufahren und unterwegs etwas zu essen.
Er war heilfroh, eine Entschuldigung zu haben, auswärts zu essen, und das sogar in Gesellschaft. Zurzeit lebte er mehr oder weniger von Tiefkühlkost. Er hatte nie richtig kochen gelernt, konnte aber immerhin ein Fertiggericht in die Mikrowelle schieben. Manchmal kaufte er zur Abwechslung eine Tiefkühlpizza und wärmte sie im Backofen auf. Er vermisste die Gerichte, die seine Frau gekocht hatte, die alltäglichen wie die festlichen.
Am meisten vermisste er die Steaks, die es ab und zu gegeben hatte, meistens mit Sauce béarnaise und Fritten. Ein langsamer, aber köstlicher Tod.
Ari hatte sich Pálls Aussage bestätigen lassen. Falls sein Freund die Wahrheit sagte, hatte Páll sich nicht in der Nähe des Tatorts befunden. Dann war die Einladung zu der Besprechung eingetroffen, und nun würde er also mit Tómas nach Akureyri fahren.
Ari hatte überhaupt keine Lust dazu. Er war noch nicht so weit, dass er zufällig auf Kristín stoßen wollte. Noch nicht.
Andererseits konnte er die Gelegenheit nutzen, um seine Theorie über Ríkharður Lindgren zu überprüfen. Eines von dessen Opfern wohnte in Akureyri, der Witwer der Frau, die aufgrund seines Ärztefehlers gestorben war. Vielleicht konnte er dem Mann einen Besuch abstatten, ohne Tómas sofort in die Sache mit einzubeziehen. Er würde Natan, seinen alten Schulkameraden, der jetzt in Akureyri wohnte, bitten, ihn hinzubringen. Seine Vermutung war zwar recht weit hergeholt, aber dennoch einen Versuch wert.
Ari trat hinaus in die Sonne; der Ortskern von Siglufjörður war immer noch voller Touristen von dem Kreuzfahrtschiff. Er hatte noch ein bisschen Zeit, bevor sie nach Akureyri losfahren würden, und wollte bei dem Sohn der Bauern vorbeischauen, auf deren Hof Elías seine Sommerferien verbracht hatte. Vielleicht konnte der ihm etwas Interessantes berichten.
Auf dem Weg rief er seinen Freund Natan an und verabredete sich mit ihm. Tómas hatte zwar davon gesprochen, dass sie in Akureyri zu Abend essen könnten, aber Ari würde sich einfach entschuldigen und sagen, er esse mit seinem Kumpel ein Sandwich. Tómas war es bestimmt egal, wenn er alleine essen musste, das war er ja gewöhnt.
Zudem konnte Ari Natan bei der Gelegenheit nach Neuigkeiten über Kristín fragen.
Ari hatte kein Interesse an einer neuen Beziehung, seit sich Kristín und Ugla so kurz hintereinander von ihm getrennt hatten.
Es hatte nur einen Fehltritt gegeben, falls man das einen Fehltritt nennen konnte – er war Kristín gegenüber ja zu nichts mehr verpflichtet. Im Herbst, nachdem sie sich getrennt hatten, wollte ein Freund von der Polizeischule ihn unbedingt mit zu einem Landball in Blönduós nehmen. Freund war vielleicht zu viel gesagt, eher ein Bekannter. Ari hatte im Grunde kaum Freunde und war nie gut darin gewesen, Freundschaften zu schließen. Er konnte sich nur schwer öffnen und anderen Wärme oder Gefühle zeigen. Seit seine Eltern und seine Großmutter tot waren, hatte er sich im Grunde nur mit zwei Menschen richtig wohl gefühlt: erst mit Kristín und dann mit Ugla.
Aris Bekannter war gerade nach Blönduós gezogen, hatte eine Vertretung bei der dortigen Polizei übernommen und kannte nicht viele Leute im Ort. Er wollte nicht alleine zu dem Landball gehen und hatte Ari gefragt, ob er nicht mal aus Siglufjörður weg wolle. Zu der Zeit war Ari sich selbst mit seinem Gejammer darüber, die Sache mit Ugla und Kristín vermasselt zu haben, auf die Nerven gegangen, und hatte zugesagt.
Er hatte Hlynur überredet, ihm sein Auto zu leihen, ein etwas peinliches Gespräch, da die beiden sich fast nie außerhalb der Arbeit trafen und kaum Gemeinsamkeiten hatten. Es fiel Ari ziemlich schwer, ihn um den Wagen zu bitten, aber er überwand sich. Wen hätte er auch sonst fragen sollen? Wohl kaum Tómas. Und ganz bestimmt nicht Ugla.
Der Lärm war ohrenbetäubend, er hatte seinen Bekannten in der Menschenmenge verloren, die laute Musik übertönte alles andere, Lieder, die er noch nie gehört hatte. Was war das eigentlich für eine Band? Die dröhnenden Bässe machten ihn ganz kirre. Er war wirklich zu alt für so was. Jemand rempelte ihn brutal an, er drehte sich um und wollte zurückrempeln, war aber zu spät.
Weitere Kostenlose Bücher