Todesnacht: Thriller (German Edition)
einen seiner Eiweißriegel und warf ihn ihr zu. Sie hatte bereits vier davon gegessen. Nach diesem hier blieb ihm nur noch ein einziger.
» Ich mag die Dinger nicht « , sagte sie. » Sie schmecken eklig. «
Er gab keine Antwort.
» Gibt es gar nichts anderes zu essen? Können wir nicht einfach irgendwo hingehen und uns eine Pizza bestellen ? «
» Nein. «
» Ich will nach Hause « , sagte sie.
» Das geht nicht « , entgegnete er.
Sie riss die Verpackung des Eiweißriegels auf und biss ein Stück davon ab.
Er reichte ihr seine Feldflasche. Sie trank.
Solange sie hierblieben, war Frischwasser kein Problem. Direkt hinter dem Haus gab es einen Bach, der recht vertrauenswürdig aussah, auch wenn man sich heutzutage nicht mehr wirklich sicher sein konnte, ob er nicht womöglich doch vergiftet war. Das Problem war, dass Harlan nicht wusste, wie lange sie hier noch sicher waren. Gefahr drohte ihnen nicht durch möglicherweise verseuchtes Trinkwasser, sondern vor allem durch Suchtrupps, die sowohl nach ihm als auch nach Tabitha suchten. Wahrscheinlich war es das Beste, möglichst rasch wieder aufzubrechen.
Was ihm aber Sorgen bereitete, war, dass er Tabitha mitnehmen musste. Ursprünglich hatte er Riordan auf seine Fährte locken wollen. Mann gegen Mann. Mano a mano. Aber wenn Riordan wusste, dass das Mädchen ihn gesehen hatte, dann war sie nirgends mehr sicher. Nicht, solange Riordan lebte. Und dieses Risiko konnte Harlan nicht eingehen. Weder für sich selbst noch für Tabitha, und wenn es nur aus Rücksicht auf die Gefühle war, die er für ihre Schwester gehegt hatte. Er würde nicht zulassen, dass auch dieses Mädchen sterben musste.
Sie merkte, dass er sie nachdenklich angesehen hatte. » Willst du selbst denn gar nichts essen? «
» Die Eiweißriegel sind für dich. Ich kann auch eingelegte Früchte mit Mäusekacke essen. Ich mache nachher eine Dose davon auf. «
» Mir ist langweilig « , sagte sie. Es gab kein einziges Spiel in diesem Haus. Der Fernseher funktionierte auch nicht, weil der Strom abgestellt war. Nicht einmal Bücher gab es. Bloß ein paar vergilbte, alte Zeitungen, die sich in einer Ecke des Wohnzimmers stapelten. Aber kein Licht.
Er sah sie eine Minute lang an, wie sie auf dem Boden saß und Bissen für Bissen des Riegels zerkaute. Ob sie ihm genügend vertraute, dass sie ihm eine Antwort geben würde? Er wusste es nicht. Aber es gab eigentlich keinen Grund, die Frage noch länger hinauszuschieben.
» Tabitha. Wo ist das Päckchen, das Tiff dir gegeben hat? «
Sie schob sich den letzten Bissen in den Mund und leckte sich die Finger ab. Erst dann gab sie ihm eine Antwort. » Das kann ich dir nicht sagen. Ich habe Tiff versprochen, dass ich es niemandem sage. Ganz egal, was passiert. «
» Tiff ist tot. «
» Das weiß ich selbst. Trotzdem, versprochen ist versprochen. « Das Mädchen schnappte sich den Teddybären mit dem halb abgeschossenen Kopf und drückte ihn fest an sich. » Und wird niemals gebrochen. «
» Tabitha. Bitte hör mir gut zu. Ich weiß, versprochen ist versprochen, und Tiff wäre sehr, sehr glücklich zu erfahren, dass du dein Versprechen hältst. Aber ich habe Tiff ebenfalls etwas versprochen. Ich habe ihr versprochen, dass ich – falls ihr irgendetwas zustößt – alles tun werde, um dich in Sicherheit zu bringen. « Na gut, sagte sich Harlan, das war vielleicht ein klein wenig übertrieben. Aber Tiff hätte gewollt, dass er ihr irgendetwas in der Art versprochen hätte. Wenn sie daran gedacht hätte. » Du willst doch auch, dass wir den Dezembermann schnappen, bevor er uns schnappen kann, stimmt’s? «
Tabbie nickte und blickte auf den Teddy hinab, anstatt Harlan anzusehen. » Ja. «
» Es gibt aber nur eine Möglichkeit, wie ich das schaffen kann. Der Dezembermann muss glauben, dass ich Tiffs Päckchen habe. Dass ich das habe, was sie in das Päckchen gesteckt hat. «
» Drogen? «
» Ganz genau, Drogen. Drogen, die gefährlich sind. Die Menschen krank machen. Oder sie sogar töten. Das willst du doch nicht, oder? «
» Nein. «
» Also gut. Wo ist das Päckchen? «
Tabitha stieß einen tiefen Seufzer aus. » Hier. «
» Wo? «
» Harold … « Sie drückte Harlan den Teddy in die Hand. » Das Päckchen ist da drin. «
Harlan befühlte ihn. Ertastete einen seltsam geformten, harten Gegenstand in seinem Innern. Drehte ihn um. Sah die Stiche, mit denen Tabitha den Saum zugenäht hatte. Er stand auf und brachte Harold in die Küche. Tabitha kam
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