Todesnacht: Thriller (German Edition)
Wurfsendungen und weiße Briefumschläge, die sich anscheinend über etliche Tage angesammelt hatten. Sie drückte die Messingklinke der inneren Doppeltür, die genau gleich aussah wie die Haustür. Zu ihrer großen Überraschung war sie nicht abgeschlossen. Also stieg sie die geschwungene Treppe hinauf in den ersten Stock.
Dort gab es zwei Wohnungstüren. Hinter Nummer drei wohnte laut Namensschild eine gewisse Alice Spaulding. Sean Carroll bewohnte Wohnung Nummer vier auf der rechten Seite. Bevor sie anklopfte, machte sie sich noch kurz mit der Umgebung und den potenziellen Fluchtrouten vertraut – nur zur Sicherheit. Alles andere wäre fahrlässig gewesen. Am Ende des Flurs befand sich ein Schiebefenster. Sie schob den unteren Teil nach oben, beugte sich hinaus und blickte sich nach allen Seiten um. Keine Feuerleiter. Kein Mauervorsprung. Kein Baum in Reichweite. Wer von hier aus nach unten wollte, musste springen und riskierte dabei ein gebrochenes Bein oder Schlimmeres. Sie machte das Fenster wieder zu und stieg ein Stockwerk höher. Ab der sechsten Stufe war Carrolls Wohnungstür nicht mehr zu sehen. Am oberen Ende der Treppe befanden sich zwei weitere Wohnungen und ein Fenster, genau wie im ersten Stock. Für den Fall, dass Sean überraschend auftauchte, taugte die Treppe zumindest halbwegs als Versteck.
Sie ging zurück und klopfte an Carrolls Wohnungstür. Keine Reaktion. Sie wartete noch eine Minute und klopfte erneut. Immer noch nichts. Gut möglich, dass Carroll zwar zu Hause, aber anderweitig beschäftigt war und deshalb nicht an die Tür kam. Vielleicht duschte er gerade oder nahm ein Bad. Telefonierte. Lag mit einer Frau im Bett. Das alles ließ sich nicht ausschließen, aber dieses Risiko musste sie jetzt eingehen.
Sie besah sich das Schloss. Nicht annähernd so einfach zu knacken wie das Schloss in der Eingangstür, aber kein größeres Problem. Sie überprüfte, ob Carroll womöglich irgendwo an der Tür oder am Rahmen ein Stück Papier, ein Haar oder sonst irgendetwas platziert hatte, wodurch er erkennen würde, dass jemand unbefugt in seine Wohnung eingedrungen war, konnte aber nichts entdecken. Dann holte sie ihr Einbruchswerkzeug, ein erst heute in Augusta erworbenes nagelneues Pro-Lock PKX -20, aus dem Stoffbeutel, kniete sich vor die Tür und schob den Spanner behutsam ins Schloss.
Sie suchte sich einen Dietrich aus und wollte ihn gerade ins Schloss schieben, als sie das Klacken eines Türriegels hörte. Nicht aus Carrolls Wohnung, sondern von nebenan. Aus Apartment Nummer drei. Sie sprang auf, versperrte mit ihrem Körper den Blick auf den Spanner und hob die Hand, als wollte sie noch einmal klopfen. Dann holte sie tief Luft. Die Tür von Apartment drei öffnete sich.
Sie drehte sich um und sah sich einer attraktiven Blondine, vermutlich Alice Spaulding, gegenüber. Sie hielt einen Schlüsselbund in der rechten Hand und eine Hundeleine in der linken. Am anderen Ende der Leine tauchte jetzt ein kleiner weißer Flauschball auf.
» Oh « , sagte Alice, und ihre Stimme klang verwundert. » Sie sind ja gar nicht Sean. «
» Stimmt « , erwiderte Maggie.
» Und ich hab noch gedacht, es hörte sich nach Klopfen an … « , sagte Alice Spaulding und schloss ihre Wohnungstür hinter sich.
Maggie gab nicht sofort eine Antwort. Sie blickte zu Boden und lächelte. » Na, so was « , sagte sie. » Du bist aber süß! «
Der kleine Flauschball knurrte.
» Er ist leider nicht besonders zutraulich. Wollen Sie zu Sean? «
» Entschuldigen Sie. Ja. Ich war zufällig in der Nähe und dachte, ich könnte ihn vielleicht kurz sprechen. «
» Er ist nicht da « , sagte die Frau. » Er ist verreist. «
» Oh, tatsächlich? Hat er gesagt, wohin? « Maggie hoffte, durch diese Frage zu erfahren, wie gut die Frau Carroll kannte. Wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass sie ihm etwas von der großen, schlanken Brünetten erzählen würde, die an einem Montagabend um elf Uhr bei ihm vor der Tür gestanden hatte.
» Sind Sie eine Freundin von ihm? « , wollte die Blondine jetzt wissen und taxierte Maggie kühl.
» Um ehrlich zu sein, ich bin eine Kollegin « , sagte Maggie. Lügen wäre zwecklos gewesen. Falls die Blondine Carroll von dieser Begegnung erzählte und ihm eine Beschreibung der Besucherin gäbe, wüsste er ohnehin sofort, wer ihm da einen Besuch hatte abstatten wollen. » Detective Margaret Savage « , sagte sie und streckte der Nachbarin die Hand entgegen.
Diese ergriff sie zwar, stellte
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