Todesnacht: Thriller (German Edition)
fürchterlichen Hunger. Mit Billy hatte sie gestern Abend mehr getrunken als gegessen und seitdem nichts mehr zu sich genommen.
» Gut. Dann gehen wir ins WaCo, das ist hier ganz in der Nähe. Die halten dort immer einen Tisch auf der Veranda für mich frei. «
Das Diner mit dem Namen, der gleichlautend war mit dem Slangausdruck für » durchgeknallt « – eine durchaus treffende Beschreibung seiner Inneneinrichtung –, war geradezu eine Institution in Eastport, der Inschrift auf dem blauen Bogen über der Eingangstür zufolge bereits seit 1924. Ein paar Ureinwohner behaupteten jedoch, dass das ursprüngliche WaCo noch älter gewesen sei. Ganz wie Boucher versprochen hatte, bot der Tisch auf der Veranda einen fantastischen Blick über die See. Campobello Island, das bereits zu Kanada gehörte, lag nur einen Steinwurf entfernt – zumindest wenn man einen kräftigen Wurfarm hatte.
Der Chief bestellte Heidelbeerpfannkuchen. Maggie entschied sich für Rührei mit Speck und Pommes. Kaum stand das Essen vor ihnen, machten sie sich gierig darüber her.
» Sie sind ja genauso groß wie Ihr Vater « , stellte Boucher fest.
» Eins achtzig. Manchmal auch eins zweiundachtzig. Kommt auf meine Laune an. «
» Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Sie früher einmal Basketball gespielt haben – an der Machias Memorial. Zusammen mit der jungen Kaplan. Sie beide, sie waren echt eine Klasse für sich. «
» Emily war viel besser als ich. «
» Aber Sie waren auch verdammt gut. Meine Tochter Lizzie hat damals für die Shead gespielt. Aber Sie und Kaplan waren nicht bloß viel größer als unsere Spielerinnen, Sie waren auch deutlich besser. Jackie Comer, das war die Trainerin damals, hat immer bloß von den Twin Towers gesprochen – das war natürlich vor dem elften September. Jedes Mal, wenn meine Frau und ich uns ein Spiel ansahen, hat unser Team jedenfalls eine ordentliche Abreibung bekommen. Drei Jahre in Folge. State Champions, wenn ich mich recht erinnere. «
» Drei Jahre in Folge. « Maggie lächelte.
» Na ja, Sie sind natürlich nicht hier, um über Basketball zu plaudern. John hat mir erzählt, was mit Stoddards Tochter passiert ist. Wissen Sie schon, wer’s war? «
» Noch nicht. Wir haben die Leiche erst vor ein paar Stunden gefunden. Wenn wir hier fertig sind, will ich zu den Stoddards fahren und ihnen die Nachricht überbringen. «
» Keine leichte Aufgabe, die Angehörigen zu informieren. Ganz besonders dann nicht, wenn es sich um die Eltern handelt. Ich hab das selbst ein paarmal machen müssen, war immer hart. Wie kann ich Ihnen behilflich sein? «
» Erzählen Sie mir alles, was Sie über die Familie wissen. «
Boucher lehnte sich zurück, tupfte sich Ahornsirup von den Lippen und vom Kinn und nahm einen Schluck Kaffee. » Pike und Donelda Stoddard. Tja, was soll ich sagen « , fing er an. » Beide Ende vierzig. Er stammt von hier. Seine Familie lebt seit Generationen in Eastport. Sie kommt von auswärts, L. A., glaube ich. Ist in den Achtzigern hier aufgeschlagen und hat sich mit Pike zusammengetan. Seitdem ist sie bei ihm. Donelda sieht immer noch aus wie ein Hippiemädchen, bloß eben gealtert. Bauschige Röcke, langes graues Haar bis zum Hintern. So in der Art. «
» Kinder? «
» Drei Töchter. Teresa war die Älteste. Drei Jahre älter als Tiff. Die Jüngste heißt Tabitha. Schätze mal, das war Absicht, dass alle drei Namen mit T anfangen. Na ja. Tabbie ist jedenfalls die Nachzüglerin. Sie ist kürzlich erst elf geworden. Mehr als zehn Jahre jünger als Tiff. Kommt nächsten Monat in die sechste Klasse. Und jetzt ist sie als Einzige noch übrig. «
» Soll das heißen, dass die älteste Tochter auch gestorben ist? « Das hatte Maggie nicht gewusst.
» Ja, so ist es. Teresa. Terri. Die Erstgeborene. Ein wunderschönes Mädchen, noch hübscher als Tiff. Und immer schon ein Wildfang, genau wie ihr Vater. Tiff hatte auch so eine Ader. Wie in diesem Lied: Born to be Wild. Und jetzt sind beide tot. «
Großer Gott, zwei von drei Kindern! Es würde noch weitaus schwieriger werden, als sie gedacht hatte. » Was ist Terri denn zugestoßen? «
Boucher wandte den Blick ab und atmete ganz langsam aus. Ganz offensichtlich fiel es ihm schwer, davon zu berichten. » Ein Motorradunfall. An dem ihr Vater schuld war. Pike ist früher immer mit seiner großen schwarzen Harley durch die Gegend gerast. Die hatte er mitgebracht, als er von den Marines zurückkam. Schraubte ständig daran herum.
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