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Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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Leute können Sie noch mobilisieren?»
    Mit einem Seufzer stemmte der Chief sich wieder in die Höhe. In seinem rechten Knie knackte es leicht, und er verzog kurz das Gesicht. «Ich habe viele Männer zur Verfügung, allerdings nicht ganz so viele, die ich in dieser Lage einsetzen möchte. Bloß Machoposen und nicht viel dahinter. Aber zusätzlich zu den fünfzehn Deputys, die bereits ums Haus postiert sind, habe ich noch zehn weitere mit Kriegserfahrung. Die waren alle entweder in Afghanistan oder im Irak oder beidem im Einsatz und können mit Schusswaffen umgehen, falls es zum Schlimmsten kommen sollte. Ich treffe sie gleich zu einer kurzen Besprechung im Hotel und ernenne sie dann gleich alle zu Deputys, damit wir rechtlich abgesichert sind. Das Blöde ist nur, dass wir nicht wissen, mit wie vielen Gegnern wir es zu tun haben.»
    Gino saß in seinem behaglichen Sessel und gab sich schönen Gedanken hin. Die Terroristen hatten das Monkeewrench-Team gar nicht verfolgt. Sie würden gar nicht auftauchen. Später würden sie alle etwas Feines zu Mittag essen, ansonsten im Haus bleiben, weil das Wetter so schlecht war, und sich vielleicht einen schönen und interessanten Film anschauen.
Der mit dem Wolf tanzt
beispielsweise.
    Magozzi setzte sich vor den Kamin. «Können wir die Jagdhütte so lange verteidigen, bis das FBI mit Verstärkung hier ist?»
    Einen Moment lang ließ der Chief den Blick durch das Wohnzimmer schweifen, als müsste er über seine Antwort erst nachdenken. Magozzi kannte ihn noch nicht lange, aber ihm war bereits aufgefallen, dass er das häufig machte: Er schien über die meisten Fragen erst nachzudenken und gab ihnen damit mehr Gewicht, obwohl er sofort wusste, wie die Antwort lautete. Der Mann war der geborene Politiker.
    Schließlich sagte der Chief: «Hier gibt es zu viele Fenster. Die würden sie unter Dauerbeschuss nehmen, sodass von drinnen keiner mehr richtig zielen kann. Wir können uns nicht verteidigen, indem wir uns hier verschanzen. Wir müssen raus, in den Wald.»

[zur Inhaltsübersicht]
KAPITEL 45
    D er Chief und Claude hatten ihre Winterjagdkluft in Neonorange angelegt. Jetzt verließen sie die Jagdhütte durch die Hintertür, das Gewehr im Anschlag und mit einem Zielfernrohr ausgestattet, mit dem eine Maus auf einen Kilometer Entfernung wie Godzilla aussah. Vorsichtig und völlig lautlos, wie es sich für Jäger gehörte, bewegten sie sich durch den Wald – nur hielten sie diesmal nicht Ausschau nach vierbeiniger Beute. Heute nicht.
    Bäume, Sträucher und Grashalme, alles war von einer glitzernden Eisschicht umhüllt. Hätte der Versuch, unentdeckt zu bleiben, nicht ihre ganze Aufmerksamkeit beansprucht, die Schönheit der Natur hätte sie mit Sicherheit abgelenkt. Die endlosen morgendlichen Graupelschauer waren in dichtes, feuchtes Schneetreiben übergegangen, das beunruhigte den Chief. Im Schnee war der Feind leichter auszumachen, aber man konnte vom Feind auch besser gesehen werden. Wie kein anderes Volk auf der Welt war das seine in der Lage, einen verschneiten Wald zu durchqueren, ohne Spuren zu hinterlassen, aber was war mit den Polizisten aus der Stadt? Er musste sie irgendwo postieren, wo sie sich nicht wegbewegen konnten.
    Als Claude und er sich schließlich überzeugt hatten, dass im unmittelbaren Umkreis der Hütte keine Gefahr drohte, nahmen sie den Fußweg zum Hotel. Schon jetzt war der Untergrund spiegelglatt, und der Schnee machte die Fortbewegung kein bisschen leichter.
    «Wir sind zu alt für so was, Chief», beschwerte sich Claude leise, während er vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte. «Ich habe wirklich keine Lust, mir hier die Knochen zu brechen. Außerdem sieht uns doch jeder. Wir wären besser im Wald geblieben.»
    «Meine Leute bewachen die Straße», gab der Chief zurück. «Und wir sind nur zwei Jäger auf dem Weg zum Hotel. Falls hier tatsächlich irgendwo Eindringlinge sind, werden sie wohl kaum ihren Standort verraten, indem sie auf zwei alte Knacker schießen, die hier mit leuchtend orangefarbenen Westen herumspazieren. Und sie werden auch nicht damit rechnen, dass wir ihren Peilsender gefunden und unsere Schlüsse gezogen haben. Im Moment dürften sie sich also in Sicherheit wiegen. Was uns Gelegenheit gibt, sie ein bisschen auszuspähen. Ich sehe allerdings nichts. Du?»
    Auch Claude sah nichts, obwohl er trotz aller Einschränkungen, die das Alter mit sich brachte, noch immer dieselben Adleraugen besaß wie früher als Scharfschütze.

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