Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
Vielleicht läuft bei diesem abartigen Spiel alles
auf das Zentrum hinaus.«
»Du meinst,
auf ein ganz bestimmtes Opfer? Quasi als Krönung dieser makaberen Inszenierung?«
Der Leiter
der Kaiserslauterer Mordkommission zog die Mundwinkel nach unten und schüttelte
deprimiert den Kopf. »Das ist wirklich der absolute Wahnsinn, Karl.« Er warf einen
Blick auf seine Armbanduhr. »Oje, ich muss los zur Frühbesprechung.«
»Ich warte
noch auf Geiger, dann komme ich auch zu euch hoch.«
Tannenberg hatte gerade seinen Mitarbeitern
die Neuigkeiten präsentiert, als Mertel und Geiger überfallsartig in sein Dienstzimmer
hereinstürmten. Der Kriminaltechniker wedelte mit zwei Asservatenbeuteln.
»Wolf, wir
haben in diesem Kuvert zwei sehr wichtige Dinge übersehen«, behauptete er hechelnd.
»Und was?«
»Eine weitere
Plastikmücke und einen Klebezettel mit einem Zitat. Die müssen sich wohl während
des Transportes von dem Spinnennetz abgelöst haben.«
Während
der Chef-Ermittler die Fundsachen eingehend inspizierte, fuhr sein Kollege fort:
»Auf dem Spinnennetz habe ich Klebstoffreste entdeckt, die auf Folgendes schließen
lassen.«
Mertel unterbrach
seine Rede und eilte unter den erwartungsvollen Blicken seiner Kollegen zu einem
Flipchart, auf den Tannenberg ein Spinnennetz inklusive rotem Kreuz und stilisierter
Mücke aufgezeichnet hatte. Der Spurenexperte nahm einen Edding und malte eine weitere
schwarze Fliege ins Netz.
»Diese zweite
Mücke befand sich genau hier, also schräg links über der anderen«, erläuterte Mertel.
»Bist du
dir ganz sicher, dass sie nicht auf dem roten Kreuz angebracht war?«, fragte Tannenberg
nach.
»Ja, das
bin ich«, erwiderte der Kriminaltechniker. »Denn im Zentrum des Spinnennetzes habe
ich keinerlei Klebemittelrückstände gefunden, dagegen dort, wo ich die Mücke gerade
eingezeichnet habe, schon. Es handelt sich dabei übrigens um einen handelsüblichen
Klebstoff. Die Haare wurden jedoch mit flüssigem Kunststoff aus einer Heißklebepistole
umschlossen.«
»Jetzt muss
ich mal etwas ganz Blödes loswerden«, meldete sich Sabrina Schauß zu Wort. »Wir
haben zwei Mücken, aber bislang nur ein einziges Entführungsopfer. Oder sehe ich
da etwas völlig falsch?«
»Nein, natürlich
nicht«, entgegnete ihr Vorgesetzter. »Da uns dieser Irre zwei Mücken geschickt hat,
gehe ich davon aus, dass er sein zweites Opfer bereits gestern entführt hat. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass der Mistkerl in dieser Hinsicht irgendeinen Fehler
macht. Der hat alles bis ins Detail durchgeplant.« Tannenberg reckte den Zeigefinger.
»Und zwar chronologisch: Eine Aktion folgt der anderen.«
»Bis er
am Schluss die letzte Mücke in die Mitte des Netzes kleben kann«, beteiligte sich
nun auch wieder Mertel.
»Und dann?«,
warf Sabrina ein.
Die Frage
schwebte eine Weile unbeantwortet durch Tannenbergs Büro.
Ihr Ehemann
brach das Schweigen. »Wir haben doch die Kollegen instruiert, uns sofort Bescheid
zu geben, wenn eine neue Vermisstenmeldung reinkommt«, meinte der junge Kommissar.
»Aber es gibt noch keine.«
»Ich fürchte,
wir müssen davon ausgehen, dass dies nur noch eine Frage der Zeit ist«, seufzte
Tannenberg und wiegte den Kopf. »Was ist das nur für ein komischer Spruch?« Er zeigte auf das betreffende Zitat. »›You must kill the spider to
get rid of the cobweb.‹«
Die Übersetzung
ließ nicht lange auf sich warten, denn Petra Flockerzie hatte durch die offene Tür
mitgehört und sofort im Internet recherchiert. »Das ist ein maltesisches Sprichwort«,
rief sie, »und bedeutet so viel wie: ›Man muss die Spinne töten, wenn man das Spinnennetz
loswerden will.‹«
»Also kommt
der Täter aus Malta«, schlussfolgerte Armin Geiger messerscharf. »Dann sollten wir
sofort Interpol verständigen.«
9
Gähnend öffnete der Spider das Wohnzimmerfenster.
Er machte einige Dehnungsübungen und pumpte die kühle, belebende Herbstluft in seine
Lungen. Dann ging er in die Küche und braute sich eine Kanne starken Kaffees. Das
Koffein verscheuchte die bleierne Müdigkeit, die ihn manchmal aus heiterem Himmel
überfiel. Kein Wunder, denn die letzten Tage waren ziemlich anstrengend und aufregend
gewesen.
Aber nun
war er wieder fit. Das war nötig, schließlich hatte er heute eine Menge vor. Er
fühlte sich wie ein mit Aufputschmitteln vollgepumpter Topmanager, der permanent
unter Strom stand und sich keine Atempause erlauben konnte.
Den Zeitrahmen
seines Projektes hatte er
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