Todesopfer
sich ein wenig benebelt an. Doch die Erkenntnis, dass Dana zu Hause war, munterte mich auf. Oder zumindest war ihr Auto da. Mein eigener Wagen stand dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte, und â schnell sah ich nach â die Schlüssel steckten noch immer in meiner Jackentasche.
Ich lehnte das Fahrrad an mein Auto und rannte vom Parkplatz, eine Treppe hinunter und ein paar Schritte die Gasse entlang. Dann hämmerte ich gegen die Tür. Das Geräusch schien drinnen widerzuhallen, als wäre das Haus leer. Allmählich hegte ich die Befürchtung, Dana vielleicht doch nicht wiederzusehen. Abermals hämmerte ich auf die Tür ein.
»Haben Sie einen Hausschlüssel?«
Jäh fuhr ich herum. Ich hatte niemanden kommen hören, doch Andy Dunn stand direkt hinter mir. Zu dicht hinter mir.
»Ich klopfe schon seit zehn Minuten«, sagte er. »Wenn sie zu Hause ist, kann sie uns nicht hören. Wann haben Sie das letzte Mal mit ihr gesprochen?«
Ich konnte nicht antworten.
Er trat einen Schritt näher und legte mir die Hände auf die
Schultern. Ich wollte ihn abschütteln, den Weg wieder hinaufrennen, ins Auto springen, aufs Fahrrad, irgendetwas, doch ich konnte mich nicht bewegen.
»Miss Hamilton, ist alles in Ordnung? Müssen Sie sich setzen?«
Ich fühlte, wie ich mich ein bisschen beruhigte. »Alles okay, danke. Ich muss mit Dana sprechen.«
Er fragte nicht, warum, lieà stattdessen die Hände sinken, drehte sich um und musterte Danas graue Haustür. Dann bückte er sich, hob die Klappe des Briefschlitzes an und spähte hindurch.
»Ich auch«, sagte er. »Wann haben Sie zuletzt mit ihr gesprochen?«
Ich überlegte. Dunn richtete sich auf und wandte sich zu mir um. Er hatte sehr tief liegende Augen von stumpfblauer Farbe. Die Haut um sie herum war grob, von tiefen Falten durchzogen und mit Sommersprossen übersät. Er sah aus, als hätte er sein ganzes Leben im Freien verbracht.
»Tora!«, sagte er scharf.
»Gestern Vormittag«, antwortete ich. »Ich habe ihr mehrere Nachrichten hinterlassen.«
»Treten Sie zurück«, befahl er. Er nahm mehrere Schritte Anlauf und warf sich dann mit voller Wucht gegen die Tür. Seine Schulter rammte das Holz, und die Tür, die eben noch ziemlich stabil gewirkt hatte, gab nach und flog auf.
»Warten Sie hier.« Er verschwand im Haus. Fünf, vielleicht sechs Minuten lang stand ich da. Ich war mir der Geräusche um mich herum bewusst: Kinder spielten in einem Garten ein Stückchen die Gasse entlang, eine groÃe Fähre lief in den Hafen ein, DI Dunn ging rasch durch die Räume im Erdgeschoss von Danas Haus. Und auÃerdem ein dumpfes, rhythmisches Pochen, das laut in meinen Ohren hallte und das ich in diesem Augenblick nicht zuordnen konnte, von dem ich aber jetzt glaube, dass es das Geräusch meines eigenen Herzschlags war.
Dunn rannte die Treppe hinauf. Ich hörte Türen knallen. Stille. Ich begann zu beten.
Dann seine Schritte, die die Treppe herunterkamen. Die letzten
drei Stufen sprang er hinab, schritt durch den kleinen Flur und schaute mir unverwandt in die Augen. Alle Farbe schien aus seinem Gesicht gewichen zu sein, und seine Schläfen waren schweiÃbedeckt. Eine Sekunde lang, vielleicht auch länger, starrte er mich nur an. Ich erinnere mich nicht daran, dass seine Lippen sich bewegten, doch ich war mir sicher, seine Stimme gehört zu haben.
Sie können jetzt raufgehen. Schauen Sie ins Badezimmer.
Ich trat ins Haus, hörte das Klicken und Knistern eines Funkgeräts und Dunns nicht ganz feste Stimme. Dann stieg ich die Treppe hinauf, wusste, wohin ich gehen musste, was ich finden würde, wenn ich dort ankam. Statisches Knistern und wieder Dunns Stimme. Ich ging weiter. »Hey!«, brüllte er, und dann waren Schritte zu hören. Ich hatte das obere Ende der Treppe erreicht und die Badezimmertür aufgestoÃen.
Schritte, die die Treppe hinaufgerannt kamen. Schweres Atmen. Dunn war hinter mir, seine Hände lagen abermals auf meinen Schultern. »Was machen Sie denn?«, fragte er sanft. »Kommen Sie, wir gehen wieder runter.«
Ich versuchte vorwärtszudrängen, doch er hielt mich zurück.
»Sie müssen mit nach unten kommen.«
»Ich muss nach Vitalzeichen suchen.«
Das musste ihm eingeleuchtet haben, denn er lieà mich los. Ich machte einen Schritt vorwärts und beugte mich über die
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