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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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fühlte ich Panik in mir aufsteigen und zwang mich Ruhe zu bewahren. Pferde waren jahrhundertelang für nächtliche Ritte benutzt worden. Charles und Henry kamen damit klar – und ich auch.
    Nach einer Weile ging ich davon aus, dass Helen entspannt genug für ein weiteres Gespräch sein müsste.
    Â»Also, ich nehme mal an, Millionen von Pfund tauchen normalerweise nicht einfach so aus dem Nichts auf, ohne dass irgendwo ein krummes Ding gedreht wird. Haben Sie eine Ahnung, was das sein könnte?«
    Helen riskierte es, den Blick von dem Weg vor sich abzuwenden. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, meinte sie. »Ich frage mich, ob sie Babys verkaufen. Vielleicht an reiche Paare im Ausland, in Ländern, wo Adoptionen privat arrangiert werden und viel Geld im Spiel ist. Das meiste von der Kohle, die wir gefunden haben, schien aus den Vereinigten Staaten zu kommen.«
    Mir war schon der gleiche Gedanke gekommen, doch angesichts dessen, was ich über Tronal wusste, schien das nicht möglich. »Den Unterlagen zufolge werden dort jedes Jahr nur ungefähr acht Kinder geboren«, wandte ich ein. »Die würden doch mehr brauchen, um ein Einkommen in dieser Größenordnung zu erzielen, oder? Und was ist mit den Babys, die angeblich hier im Lande adoptiert werden? Wo kommen die her?«
    Â»Acht Babys, ja? Eine Entbindungsklinik auf einer Privatinsel für acht Babys pro Jahr? Finden Sie das plausibel?«

    Â»Nein«, sagte ich.
    Wir hatten das Ende des Feldwegs erreicht. Jetzt mussten wir noch an einem Hof und ein paar Wirtschaftsgebäuden vorbei, dann würden wir uns auf freiem Feld befinden. In diesem Moment wurde die Tür des Bauernhauses aufgerissen, und ein Mann erschien. Er war klein und hatte beträchtliches Übergewicht, ging auf die Siebzig zu und war in ein zerrissenes Unterhemd und eine ausgeleierte graue Jogginghose gekleidet, die ihm tief auf den Hüften hing. Seine Füße waren nackt, und ich vermutete, dass er zu schnell aus dem Bett gesprungen war, um seine Brille zu suchen; mit finsterer Miene und zusammengekniffenen Augen blinzelte er uns an, als hätte er Mühe, uns richtig zu erkennen. Eine Tatsache, die mich nicht unwesentlich beunruhigte, da er uns entlang des Laufes einer großkalibrigen Schrotflinte entgegenstarrte.

30
    Ich bin auf dem Land aufgewachsen, mein Vater und meine Brüder waren Mitglieder im Schützenverein. Ich kann sogar selbst ganz gut mit einer Schrotflinte umgehen, und ich weiß, was diese Dinger aus kurzer Entfernung anrichten können.
    Es war eine heikle Situation.
    Helen streckte die rechte Hand vor. Einen Augenblick lang hielt ich es für eine Geste der Kapitulation.
    Â»Polizei. Nehmen Sie sofort die Waffe runter, Sir.« Sie hielt ihm ihren Dienstausweis hin. Langsam schob ich die Hand in die Jackentasche, fand meinen Klinikausweis und zog ihn heraus. Ich hielt ihn hoch, in der Gewissheit, dass Jogginghose nie im Leben die Einzelheiten würde erkennen können.
    Alles andere als überzeugt, ließ er die Schrotflinte sinken. »Was’n los?«
    Â»Nachtpatrouille, Sir«, erwiderte Helen. »Jetzt legen Sie Ihre Waffe bitte auf den Boden. Sofort, Sir. Ein Gewehr auf einen Angehörigen der Polizei zu richten, ist ein sehr schweres Vergehen.«
    Ich musste mir auf die Lippe beißen. Nachtpatrouille! Doch er schien ihr das abzukaufen. Seine Knie knickten unter ihm ein, und die Schrotflinte glitt zu Boden. Mühsam richtete er sich auf.
    Â»Und wenn ich ma’ im Revier anrufe?«, brummelte er.
    Â»Tun Sie das, Sir«, stimmte Helen zu. »Dort wird man Sie auffordern, eine Aussage zu Protokoll zu geben und zu unterschreiben, also warten Sie vielleicht lieber bis morgen früh. Und Sie sollten auch den Waffenschein für Ihre Schrotflinte mitnehmen. Die Kollegen müssen die Seriennummer überprüfen.«
    Diese Frau war einfach wunderbar. Obwohl Waffenscheine für Schrotflinten relativ einfach zu bekommen waren, war allgemein bekannt, dass viele Bauern sich nie die Mühe gemacht hatten.

    Â»Wir reiten jetzt weiter, Sir. Es tut mir leid, dass wir Sie gestört haben. Bitte übermitteln Sie Ihrer Familie meine Entschuldigung. Sergeant, würden Sie bitte das Tor aufmachen?«
    Ich ritt ein Stück voraus, saß ab und stieß das Tor auf, das aus dem Hof ins Tal führte. Ohne mich anzusehen, ritt Helen an mir vorbei. Ich schloss das Tor,

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