Todesopfer
Shetlands wusste es. Richard. Ja, es wussten mehr oder weniger alle, dass ich Pferde besaÃ.
Der Hubschrauber war jetzt nahe, und wir konnten den Suchscheinwerfer sehen, ein riesiger gleiÃender Strahl, der das Tal erhellte. Ich hielt Charles fester. Die Shetlandponys, die Schutz in der Gruppe suchten, waren uns alle zu dem Ãberhang gefolgt. Anders als Charles und Henry standen sie jedoch nicht still, sondern drängelten und schubsten einander, sprangen umher und stritten sich in dem Bemühen, so dicht wie möglich bei den groÃen Pferden zu sein.
»Kschsch! Haut ab! Verdrückt euch!«, zischte Helen. »Die kleinen ScheiÃer verraten uns noch.«
Jetzt befand sich der Helikopter genau über uns und tauchte das Gelände in gleiÃendes Licht. AuÃerhalb der Lichtquelle jedoch war alles pechschwarz, unnatürlich finster für die Shetlands und eine gute Tarnung für uns.
Der Hubschrauber flog über uns hinweg. Ich hielt den Atem an und wagte kaum zu hoffen. Er flog vielleicht einen knappen Kilometer nach Norden, wendete dann um hundertachtzig Grad und kehrte wieder zurück.
»Sie haben uns gesehen«, flüsterte ich. Ich konnte nicht anders, der Instinkt befahl mir, meine Stimme zu senken.
»Sie haben irgendwas gesehen«, sagte Helen. »Ganz ruhig bleiben.«
Diesmal fiel das Licht des Helikopters nicht auf die Mitte des Tals, sondern hielt sich ungefähr zwanzig Meter weiter rechts, eine kleine, aber entscheidende Veränderung, denn diesmal konnte uns der Suchscheinwerfer kaum verfehlen.
»Ich hätte die Pferde gleich absatteln sollen, als wir ihn gehört haben«, sagte ich. »Niemand würde sich etwas dabei denken, hier drauÃen zwei Pferde ohne Sattel und Trense zu finden. Ohne sie hätten wir uns hinter den Felsen verstecken können.«
Helen schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich haben sie Suchgeräte. Dann können sie Körperwärme aufspüren. Ehrlich gesagt retten diese Zwerge möglicherweise die Lage.«
Die Ponys schienen sich vor dem Licht mehr zu fürchten als vor dem Krach. Als es näher kam, brachen sie aus der Deckung hervor, zerstreuten sich im Tal und suchten den Schutz der Dunkelheit. Der Hubschrauber schwenkte herum und folgte ihnen, gerade als das Licht Henrys braunen Schweif erfasste. Der Leithengst preschte in vollem Galopp in Richtung Süden davon, der gröÃte Teil der Herde folgte ihm, ebenso der Helikopter, wobei er die Panik unter den verängstigten kleinen Tieren noch vergröÃerte. Die Herde wendete, der Hubschrauber ebenfalls. Eine Stute und ihr Fohlen, die bei uns geblieben waren, stürmten in diesem Augenblick davon, und der Helikopter begann abermals zu kreisen, stieg höher in den Himmel und flog nach Norden. Dann kam er wieder zurück, doch diesmal hielt er sich von dem Ãberhang fern und flog dann erneut nach Norden.
Charles und Henry wurden allmählich unruhig, doch Helen
und ich wagten es kaum, uns zu bewegen, während der Motorenlärm des Helikopters verklang.
»Ich fasse es nicht, dass wir so davongekommen sind«, stieà ich hervor, als ich das Gefühl hatte, wieder atmen zu können.
»Die haben Bewegung gesehen und wahrscheinlich auch Wärme, aber bestimmt gedacht, das wären nur die Ponys. Gott segne sie.«
Die Ponys hatten sich beruhigt, hielten jedoch Abstand zu uns.
»Kommen die wieder?«, fragte ich.
Helen schüttelte den Kopf. »Kann man unmöglich sagen. Sie müssen ein Riesengebiet absuchen. Ich glaube, wir sollten uns auf den Weg machen. Wenn sie zurückkommen, hören wir sie.«
Wir saÃen auf und ritten los. Die Spannung der letzten Minuten schien meine gesamte Energie aufgebraucht zu haben. Ich hatte gerade noch genug Kraft, Charles in die richtige Richtung zu lenken und ihn anzutreiben.
»Wie weit ist es noch?«, wollte Helen wissen.
Ich sah auf die Uhr. Es war kurz vor drei. Der Zwischenfall mit dem Helikopter hatte uns aufgehalten.
»Noch ungefähr eine Dreiviertelstunde«, erwiderte ich auf gut Glück.
»Mein Gott, tut mir der Hintern weh.«
»Warten Sie mal bis morgen. Dann können Sie nicht mehr laufen.«
In diesem Augenblick verwandelte sich die Welt um uns herum aufs Neue.
Wir waren durch eine Landschaft aus schwarzen und grauen Schatten geritten, aus von spärlichen Pflanzenresten gekrönten Felsen, deren Umrisse sich vor einem dunklen Himmel
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