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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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dunkelbraunes Haar und dichte dunkle Wimpern, die geschmeidig-schlanke Figur sehr junger Frauen und makellose weiße Haut. Sie lag da, als ob sie schliefe, atmete tief und gleichmäßig, doch sie lag flach auf dem Rücken, die Beine ausgestreckt und dicht beieinander, die Arme eng am Körper. Menschen schlafen nur selten in so einer Haltung, und ich nahm an, dass sie unter Beruhigungsmitteln stand. Die Decke lag straff über ihrem Bauch. Ich ging ans Fußende des Betts, doch dort waren keine Unterlagen, nur ein einziger Name: Freya. Auch an ihrem Bett gab es Fesseln, doch sie hingen leer herab, reichten fast bis zum Boden. Auf Zehenspitzen schlich ich mich hinaus.
    Die Frau im fünften Zimmer sah älter aus, doch genau wie ihre junge Nachbarin im vorherigen Zimmer lag sie unnatürlich reglos auf dem schmalen Bett. Ihr Name war Odel, und ihre Füße, nicht aber ihre Hände, waren gefesselt. Odel? Freya? Wer waren diese beiden Frauen? Wie waren sie hierhergekommen? Hatten sie irgendwo Familien, die um sie trauerten, sie für tot hielten? Ich fragte mich, ob ich eine von ihnen schon einmal gesehen hatte, ob sie im Franklin Stone Hospital gewesen waren. Keine von beiden
kam mir bekannt vor. Keine zeigte irgendwelche Anzeichen einer bereits bestehenden Schwangerschaft. Ich überlegte, wo sie wohl an diesem Tag während Helens Besuch gewesen waren. Wo man sie verstecken würde, wenn sie morgen wiederkam.
    Dann stieß ich die letzte Tür auf, und dabei fiel mir der ordentlich zusammengefaltete Pyjama auf dem Sessel auf. Er war aus weißem Leinen, mit einem gestickten Schneckenmuster an Kragen, Manschetten und Hosenbeinen. Frisch gewaschen, makellos rein, zeigte er keine Spur des Blutes, das ihn zartrosa verfärbt hatte, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ich drehte mich zum Bett um und vergaß dabei zu atmen. Jemand lag darin. Langsam näherte ich mich der Person und starrte auf das Gesicht hinab. Ich weiß, dass ich aufschrie: teils ein Quietschen, teils ein Aufschluchzen. Trotz allem, was ich durchgemacht hatte, trotz der immensen Gefahr, in der ich mich noch immer befand, stieg eine solche Woge der Freude in mir auf, dass ich mich nur mit äußerster Mühe beherrschen konnte, nicht im Zimmer herumzutanzen, mit den Fäusten in die Luft zu boxen und aus vollem Hals zu brüllen. Ich zwang mich zur Ruhe und schob die Hand unter die Bettdecke.
    Das Handgelenk war mit dünnen weißen Binden bandagiert. Ich beugte mich vor und fand das andere. Genau dasselbe. Ich war froh, dass ich mir die hässlichen, blutenden Schnittwunden in Danas Badezimmer nicht nur eingebildet hatte. Ihre Handgelenke waren aufgeschnitten worden, aber wahrscheinlich nur oberflächlich. Bestimmt hatte sie Blut verloren, jedoch nicht so viel, dass man es nicht hatte ersetzen können, nachdem sie auf Tronal eingetroffen war. In ihrem Bad hatte ich keinen Puls gefühlt, denn man hatte ihr etwas verabreicht, das ihn vorübergehend nicht mehr wahrnehmbar machte. Doch jetzt konnte ich einen fühlen – kräftig und gleichmäßig. Als ich zitternd und einer Ohnmacht nah in Andy Dunns Wagen gesessen hatte, waren die Sirenen eines näher kommenden Krankenwagens zu hören gewesen. Dunn hatte mich auf kürzestem Weg ins Krankenhaus gefahren, und ich war davon ausgegangen, dass der Krankenwagen
mit Dana uns folgte. Doch das war nicht geschehen, und Dana wurde stattdessen hierhergebracht. Wozu? Um Teil des Zuchtprogramms dieses Sommers zu werden?
    Ich beugte mich tief hinab. »Dana. Können Sie mich hören? Ich bin’s, Tora. Dana, wachen Sie auf?«
    Ich strich ihr über die Stirn, riskierte es, sie an der Schulter zu rütteln.
    Nichts, nicht einmal ein Zucken. Das war kein normaler Schlaf.
    Eine Tür schlug zu, und Schritte kamen näher. Stimmen redeten, leise, aber eindringlich. Mir blieben noch Sekunden. Ich warf einen Blick auf den schmalen Kleiderschrank. War mir nicht sicher, ob ich hineinpassen würde. Das Bad. Ich huschte durchs Zimmer und zog die Tür auf.
    Eine Toilette, ein Waschbecken, eine Duschkabine. Kein Fenster. Wenn jemand den Raum betrat, konnte er gar nicht anders, als mich sehen. Vielleicht wollten sie ja gar nicht zu Dana. Vielleicht war das Glück mir noch ein bisschen länger hold.
    Die Schritte verklangen. Die Tür von Danas Zimmer öffnete sich, der Luftzug, der dadurch entstand, drückte die Badezimmertür noch

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