Todesopfer
verspürt hatte, regelmäÃig einen Zahnarzt aufzusuchen. Das dauerte einige Zeit, weil die Namen auf beiden Listen nach dem Datum sortiert waren anstatt alphabetisch, doch dreiÃig Minuten und zwei Tassen Kaffee später war ich mir ziemlich sicher, dass es keine Ãbereinstimmungen gab.
Um diese Zeit überkam mich tiefe Erschöpfung. Man konnte die Tatsache der Entbindung nicht ignorieren. Die Frau hatte ein Kind geboren, und jede Frau, die in jenem Sommer auf den Inseln niedergekommen war, musste auf meiner Liste stehen. Sie musste in einer privaten Zahnarztpraxis gewesen sein. Mir blieb nichts anderes übrig, als bis zwei Uhr nachts zu arbeiten und die dreiundsechzig Krankenakten durchzugehen, sonst würde ich es niemals genau wissen.
Das Telefon klingelte. Das warâs dann also: Gifford zitierte mich in sein Büro. Ich erwog, es einfach klingeln zu lassen, doch ich wusste, dass er dann kommen und mich suchen würde.
»Hallo.«
»Ich binâs, Dana. Alles okay bei Ihnen?«
»Alles bestens, bin bloà müde.«
»Ich hatte gerade einen Riesenkrach mit meinem Boss. Ich glaubâs einfach nicht, dass mich gestern Nacht niemand angerufen hat. Sie müssen ja völlig auÃer sich gewesen sein.«
»So was in der Art«, gab ich zu. »Ich war ein bisschen überrascht, Sie nicht zu sehen.«
»Eigentlich sollte ich diese vermaledeite Ermittlung leiten. Können Sie es fassen, wie das offiziell begründet wurde? Ich bin nicht angerufen worden, weil keine direkte Verbindung zu meinem Fall bestanden hätte. Was gestern Nacht passiert sei, hätte irgendjemand für witzig gehalten.«
Logisch betrachtet hätte es mich beunruhigen sollen, dass Dana die Ereignisse der vergangenen Nacht ebenso ernst nahm wie ich. Und jetzt fühlte ich mich auch noch bestätigt. Wahrscheinlich würden die meisten von uns, vor die Wahl gestellt, sich eher für gefährdet entscheiden als für neigt zu Wahnvorstellungen.
»Dann sind Sie also keine Anhängerin dieser Theorie?«, erkundigte ich mich.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Was machen Sie gerade?«
Ich schilderte ihr, wie ich die Zahnarzthelferin übers Ohr gehauen und sie dazu gebracht hatte, mir das Passwort zu verraten, um an Kirsten Hawicks Akte zu kommen. Wenn sie enttäuscht war, so lieà sie es sich nicht anmerken. Dann erzählte ich ihr von meinem Plan, auch die restlichen Akten durchzugehen.
»Wie viele haben Sie noch?«, wollte sie wissen.
»Dreiundsechzig.«
»Ich komme rüber und helfe Ihnen. Mir gefällt der Gedanke nicht, dass Sie da ganz allein sind.«
Ich stand auf und spähte aus dem Fenster. Giffords Wagen war immer noch da.
»Nein, das wäre viel zu auffällig. Ich komme schon klar. Hier sind jede Menge Leute. Ich rufe an, wenn ich fertig bin.«
»Danke, Tora. Das meine ich ganz ernst. Hören Sie, ich gebe Ihnen meine Adresse und meine Privatnummer. Kommen Sie vorbei, ganz egal, wie spät es ist.«
Ich schrieb mir die Adresse und die Telefonnummer auf, und weg war sie. Ich war auf mich allein gestellt, und all meinen besten Absichten und den wohlmeinenden Ratschlägen jener zum Trotz, die weiser waren als ich, rief ich den ersten Satz Röntgenbilder auf.
15
Zwei Stunden später hatte ich zweiundzwanzig von den Namen auf der Liste abgehakt. Das Ganze sah allmählich nach absoluter Zeitverschwendung aus, doch ich gehöre zu den Leuten, die niemals eine Tätigkeit unbeendet lassen können. Ich wusste, dass ich bis zum bitteren Ende weitermachen würde.
Aber zuerst: Treibstoff. Ich schloss mein Büro ab und ging hinunter in die Kantine. Dort häufte ich Fett und Kohlehydrate auf mein Tablett und fügte noch eine Cola light hinzu. Ich aà wie ein Roboter, hob kaum den Blick von meinem Tablett und kehrte dann in mein Büro zurück.
Anderthalb Stunden, noch mal zwei Tassen Kaffee, und entweder gab die Stromversorgung der Klinik gerade den Geist auf, oder ich brauchte dringend Schlaf, denn das Zimmer um mich herum war definitiv dunkler geworden. Ich schaute zu der Neonbeleuchtung über mir empor. Mir war kein Flackern aufgefallen, doch das Licht war einfach nicht mehr so hell wie noch ein paar Stunden zuvor. Auch der Himmel drauÃen erschien mir unnatürlich dunkel. Mitternacht war nicht mehr weit, trotzdem konnte ich mich nicht erinnern, während eines Sommers auf den Shetlands
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