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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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eine steil abfallende, kopfsteingepflasterte Schräge hinunter. Bis zur Morgendämmerung war es noch etwa eine Stunde, und im Osten wurde der Himmel schon heller. Die schmalen Straßen des Viertels The-Lanes jedoch lagen noch immer im Dunkeln.
    The Lanes sind einer der ältesten und interessantesten Teile von Lerwick. Sie ziehen sich den Hügel hinab, parallel zueinander, den knappen halben Kilometer von Hillhead bis zur Commercial Street, von wo aus man zu Fuß in zwei Minuten am Hafen ist. Diese »Lanes« sind steil abfallende, kopfsteingepflasterte und von kurzen Steintreppen unterbrochene Gassen. Es wäre unmöglich, mit einem Fahrzeug dort hinunterzufahren; an manchen Stellen sind sie so schmal, dass zwei Erwachsene Mühe hätten, nebeneinander zu gehen. Die Gebäude, eine Mischung aus Wohnhäusern und Büros, ragen zu beiden Seiten zwei- oder dreistöckig in die Höhe. The Lanes sind ein malerisches Viertel, bei den Touristen beliebt und als angesagte Wohngegend in der Stadt heiß begehrt. Doch im Dunkeln, wenn niemand unterwegs ist, sind sie ziemlich unheimlich.
    Dreimal hatte ich versucht, Dana auf ihrem Handy zu erreichen, war jedoch erfolglos. Zuerst hatte ich angenommen, sie sei schlafen gegangen, jetzt jedoch erschien mir das unwahrscheinlich.
Ich hatte ihre Haustür gefunden und eine Weile dagegengetrommelt. Niemand erschien. Sie war nicht zu Hause und ich nicht in der richtigen Verfassung, um noch irgendwo anders hinzufahren. Langsam ging ich wieder zu meinem Auto zurück. Auf dem Rücksitz lagen mein Mantel und eine alte Pferdedecke. Ich dachte kurz daran, es noch einmal auf ihrem Handy zu versuchen, konnte jedoch nicht die nötige Energie aufbringen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hielt sie sich irgendwo auf, wo sie keinen Empfang hatte. Ich hüllte mich in Mantel und Decke und schlief innerhalb von Sekunden ein.
    Â 
    Der Tag dämmerte schon, als das Klopfen am Fenster mich weckte. Ich fror und war brettsteif. Der schlimmste Kater, den ich je durchgemacht hatte – und ich habe ein paar wirklich üble erlebt –, würde sich im Vergleich zu dem, was dieser Tag für mich bereithielt, wie eine Shiatsu-Massage anfühlen. Doch da war nichts zu machen. Danas ungläubiges Gesicht starrte auf mich herab, und ich musste mich bewegen. Ich setzte mich langsam auf. Mannomann, es war viel schlimmer, als ich erwartet hatte. Dann griff ich nach dem Türriegel, und Dana öffnete die Wagentür.
    Â»Tora, ich war die halbe Nacht bei Ihnen zu Hause. Ich habe mir ernsthafte –«
    Ich bedeutete ihr mit einer Handbewegung zurückzutreten, drehte mich um und kotzte auf den Hinterreifen meines Autos. Dann verharrte ich noch eine Weile vornübergebeugt dort. Ich hustete und würgte, versuchte, diese ekligen Stückchen loszuwerden, die einem in solchen Momenten immer in den Nasengängen stecken bleiben, und sagte mir, dass ein plötzlicher Tod doch eine Menge für sich hatte.
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich halb geführt und halb getragen Danas Haus betrat und auf ihrem Sofa abgeladen wurde. Auf meine Anweisung hin verabreichte sie mir eine unvernünftige Dosis Ibuprofen und Paracetamol und verschwand, um heißen, süßen Tee und trockenen Toast zuzubereiten. Während sie in der Küche war, versuchte ich, meine Übelkeit
in den Griff zu bekommen, indem ich mich auf ihr Wohnzimmer konzentrierte. Es war genauso, wie ich es erwartet hätte: makellos ordentlich und zweifellos teuer. Die Dielen bestanden aus poliertem Eichenholz, teilweise von einem mit Karos in Rostrot, Hellgrau und Blassgrün gemusterten Teppich bedeckt. Sämtliche Stoffe sahen so aus, als hätten sie fünfzig Pfund pro laufendem Meter gekostet. Ein Flachbildschirmfernseher war an einer Wand befestigt, und unter dem Fenster stand eine Bang & Olufsen-Stereoanlage. Dana kam mit Tee und Toast herein und verließ abermals das Zimmer. Ich hörte, wie sie die Treppe hinaufrannte. Dann erschien sie mit einer großen Daunensteppdecke und wickelte mich hinein wie eine Mutter ihr krankes Kleinkind. Ich aß einen Bissen Toast und schaffte es, ihn unten zu behalten. Dana nahm auf einem Lederschemel vor mir Platz.
    Â»Können Sie mir jetzt sagen, was mit Ihnen passiert ist?«
    Â»Ich habe die halbe Nacht gearbeitet und den Rest im Auto verbracht«, bekam ich heraus. Der Tee war heiß und

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