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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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auf den Stationen und in den Dienstzimmern, gab es gewiss Menschen, die Geräusche machten und Geschäftigkeit verbreiteten; hier oben war nur das leise elektronische Summen der Beleuchtung und des Computers zu vernehmen.
Meine Armbanduhr zeigte vier Uhr neunundzwanzig an. Ich hatte mehr als vier Stunden geschlafen – oder sonst was getan.
    Als ich zu meinem Schreibtisch zurückkehren wollte, bemerkte ich ein blinkendes Licht am Drucker. Papierfach leer lautete die Botschaft auf dem winzigen Display. Ohne wirklich nachzudenken, nahm ich ein paar Seiten Druckerpapier aus dem Regal darunter und schob sie in das Papierfach.
    Das Gerät erwachte surrend zum Leben und fing an, bedruckte Blätter auszuwerfen. Ich nahm das erste zur Hand. Es war eine Röntgenaufnahme des oberen linken Quadranten, und der zweite Backenzahn war überkront worden.
    Hör auf, Tora, genug ist genug.
    Ich griff nach dem nächsten Blatt. Es zeigte die Schneidezähne, sowohl zentral als auch lateral. Die Stellung schien zu stimmen. Ich nahm das nächste Blatt und dann wieder das nächste. Ich zählte die Zähne. Dann schaute ich zum ersten Mal auf den Namen der Patientin am oberen Rand der Seite. Ich berührte ihn und flüsterte dabei leise: »Melissa Gair.«
    Am liebsten hätte ich losgeheult. Ich wollte auf meinen Schreibtisch springen und meinen Triumph über die Dächer schreien. Gleichzeitig war ich in meinem ganzen Leben noch nie so gefasst gewesen, glaube ich.
    Ich blätterte die Ausdrucke durch, die folgten. Ich las ihr Geburtsdatum und rechnete ihr Alter aus: zweiunddreißig. Ich las, dass sie verheiratet gewesen war und in Lerwick gewohnt hatte, keine vier Kilometer von dort entfernt, wo ich jetzt saß. Ich las, dass sie regelmäßig beim Zahnarzt gewesen war: ungefähr alle sechs Monate, seit etwa zehn Jahren, mit Zahnreinigungen dazwischen. Ihr letzter Termin war kurz vor Weihnachten 2003 gewesen.
    Was natürlich nicht ganz passte. Mein Kopf begann noch heftiger zu schmerzen, als ich mich bemühte herauszufinden, was mich daran störte. Die Frau in meiner Wiese war Melissa Gair. Die Röntgenbilder stimmten genau überein. Aber warum hörte eine Frau, die immer regelmäßig zum Zahnarzt gegangen war, achtzehn Monate vor ihrem Tod plötzlich damit auf? Es sei denn,
sie hätte die Insel vorübergehend verlassen und wäre nur zurückgekommen, um hier zu sterben?
    Wenn das der Fall war, dann stand ihr Name vielleicht nicht auf meiner Liste der Frauen, die hier entbunden hatten. Ich schnappte sie mir und überflog sie, so schnell ich konnte. Nein, Melissa Gair hatte hier kein Kind zur Welt gebracht, sondern ihr Baby woanders geboren und war knapp zwei Wochen danach zurückgekommen. Die meisten Frauen sind ein paar Wochen nach einer Geburt größeren Veränderungen in ihrem Leben nicht gewachsen. Ihre Motive, warum sie zurückkehrte, würde uns ganz bestimmt einen Hinweis darauf geben, warum sie getötet wurde.
    Ich brauchte unbedingt Schlaf, aber zuerst musste ich Dana erreichen. Ich griff zum Telefon und wählte ihre Handynummer, bekam jedoch die Mitteilung, dass dieser Anschluss nicht erreichbar sei. Ich war schon im Begriff aufzustehen, als mir noch etwas einfiel, das ich überprüfen konnte. Sicher wäre es für Dana hilfreich, so viel wie möglich über Melissa Gair zu erfahren.
    Ich wandte mich wieder meinem Computer zu und rief das Klinikarchiv auf. Dann gab ich Melissas Namen als Suchbegriff ein und wartete ein paar Sekunden. Sie war eine gesunde junge Frau gewesen, und vielleicht hatte sie in ihrem Leben niemals im Krankenhaus gelegen.
    Ihr Name tauchte auf. Ich öffnete die Datei, ging sie zweimal durch, überprüfte die Daten ein paarmal. Meine Kopfschmerzen waren so heftig geworden, dass ich nur den Bruchteil einer Sekunde davon entfernt war, mich zu übergeben. Also blieb ich regungslos auf meinem Stuhl sitzen.

16
    Auf der Fahrt zu Dana begegnete ich keinem anderen Auto, was auch gut war, denn sonst hätte es wahrscheinlich einen Zusammenstoß gegeben. Beim Wegfahren aus der Klinik hatte ich zweimal den Bordstein gerammt und den Lack zerkratzt.
    Ich parkte, überprüfte noch einmal die Adresse und stieg aus. Auf dem Parkplatz, der meiner Meinung nach ihrem Haus am nächsten lag, war von Danas Auto nichts zu sehen. Wie eine Betrunkene torkelte ich durch den steinernen Torbogen, ein paar Stufen und

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