Todespakt
hinter sich und zog eine Tageszeitung aus seinem Hosenbund. Er klappte sie auf und hielt sie Victor hin. »Hier, Chef.«
Victor überflog die Seite und blieb an einem Artikel hängen: Zwei Morde geben der Polizei Rätsel auf . Darin war die Rede von einem unbekannten Pesttoten und der Bitte um Hinweise zur Identität des Mannes. Als Victor das Foto sah, weiteten sich seine Augen.
»Du weißt, wer das ist, Chef?«
Und ob er das wusste. Diese Erkenntnis steigerte seine Unruhe. Dennoch ließ er sich gegenüber seinen Männern nichts anmerken. »Was hat das mit Vadim zu tun?«
»Es gab letzte Nacht einen weiteren Toten«, sagte Silvio, und die anderen beiden nickten wie zur Bestätigung. »Ich habe im Internet darüber gelesen. Dort heißt es, ein Mann wäre gefoltert und verbrannt worden.«
»Und ihr glaubt, dieser Mann ist Vadim?«
Dieses Mal nickten alle drei.
»Wann habt ihr ihn zuletzt gesehen?«, fragte Victor.
»Gestern Nacht, gegen halb eins«, erwiderte Silvio. »Wir waren hier und haben angefangen, die Ware für den Transport vorzubereiten. Anschließend haben wir uns getrennt.«
»Hat er gesagt, wo er hinwollte?«
Silvio schüttelte den Kopf. »Sein Handy ist ausgeschaltet.«
»Vermutlich schläft er in irgendeinem Puff seinen Rausch aus.«
»Das glaube ich nicht, Chef. Er hätte sich längst gemeldet.«
Victor strich sich nachdenklich über seinen akkurat gestutzten Vollbart, der so schwarz war, dass er künstlich wirkte. Dabei funkelten die Ringe an seinen Fingern im Licht der Neonröhren. »Hat er mal erwähnt, dass er sich verfolgt fühlt oder die Polizei auf ihn aufmerksam geworden ist?«
»Nein«, sagte Silvio. »Du weißt, Vadim macht nicht viele Worte.«
Das machte ihn aus Victors Sicht schwer einschätzbar.
»Aber ...«, fuhr Silvio zögerlich fort.
Victor legte den Kopf leicht schief und sah Silvio direkt in die Augen. »Aber was?«
»Es gehen Gerüchte um, Chef.«
»Sag schon, was für Gerüchte?«
Silvio sah wieder auf seine Füße hinab. »Es ... es heißt Diavolul habe die Opfer persönlich zu sich geholt.«
Victor lachte auf. »Der Teufel?« Er trat direkt vor Silvio, sodass sich ihre Köpfe fast berührten. »Und du glaubst diesen Blödsinn?«
»Nein, natürlich nicht, niciodată«, sagte Silvio.
»Niemals, hm?« Victor packte Silvios linken Arm und schob den Ärmel seiner Arbeitsjacke nach oben. Darunter kam ein rotes Armbändchen zum Vorschein, das um sein Handgelenk gebunden war. Nach rumänischer Tradition ein Glücksbringer, der vor bösen Augen schützen soll. »Cretin«, höhnte Victor. »Ihr abergläubischen Trottel. Ich sollte euch alle in die Heimat verfrachten und zurück auf die Straße schicken!«
»Nein, Victor, glaub mir«, sagte Silvio. »Die Späher sind verunsichert. Sie denken, die Konkurrenz könnte dafür verantwortlich sein.«
Daran hatte auch Victor sofort gedacht, als er das Foto in der Zeitung gesehen und den Mann erkannt hatte. Es dürfte nicht lange dauern, bis die Bullen ebenfalls dahinterkamen und sich ihren eigenen Reim darauf machten. Und das wiederum dürfte dem Boss seiner Organisation gar nicht gefallen. So oder so behagte Victor das alles überhaupt nicht. Er sah Silvio einige Zeit an. Victor wusste, dass er derjenige war, der den meisten Verstand der drei hatte. Und er vertraute ihm, im Gegensatz zu Dimitrij, diesem schwachsinnigen Russen.
Victor legte seine Hand auf Silvios Schulter. »Ich kümmere mich um meine Leute, das weißt du.«
Silvio nickte.
»Gut. Ich werde dafür sorgen, dass der Lkw bis morgen Abend hier ist. Seht zu, dass das Zeug bis dahin verladefertig ist. Ich will, dass es so schnell wie möglich von hier verschwindet. Und sag den Spähern, sie sollen sich eine Weile zurückhalten. Dasselbe gilt für euch. Zuerst kläre ich die Sache.« Victors Blick verfinsterte sich. »Aber sollte ich herausfinden, das Vadim abgehauen oder etwas mit dieser Sache in der Zeitung zu tun hat, dann ist der Teufel der Letzte, vor dem er Angst haben muss!«
Daraufhin wandte Victor sich ab und verließ die Lagerhalle.
Noch bevor Victor seine beiden Leibwächter erreicht hatte, griff er nach seinem Telefon. Es war ein altes Prepaid-Handy, ohne GPS und Internet. Er traute der modernen Technik nicht über den Weg. Sie war zu angreifbar geworden. Es dauerte einige Sekunden, bis die Verbindung hergestellt war.
»Bună Victor«, meldete sich eine verschlafene, männliche Stimme.
»Bună Petre. Tut mir leid, dass ich um diese Zeit
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