Todesqual
nicht genügte - vermutlich, weil das Nikotin fehlte.
Lenas Blick wanderte über den Parkplatz zu den beiden Autos, die neben einigen Streifenwagen parkten. Den schwarzen Mercedes-Geländewagen und die gelbe Corvette kannte sie. Sie gehörten zwei erfahrenen Detectives. Nach der Ascheschicht auf der Motorhaube zu urteilen, standen sie schon seit einer Weile dort.
Es musste etwas Dramatisches vorgefallen sein, wenn um ein Uhr morgens noch ein solcher Betrieb herrschte.
Lena schob die hintere Tür des Spurensicherungs-Fahrzeugs
auf und kletterte hinein. Hastig öffnete sie den ersten Schrank. Ihre Augen brannten, und sie konnte wegen des schlechten Lichts kaum etwas sehen. Dennoch durchsuchte sie beharrlich Schrank für Schrank.
Inzwischen hatte sich ihre Angst gelegt, und sie war wieder ganz professionell, als sie nun methodisch die Gerätschaften durchwühlte. Alles, was bisher Gültigkeit gehabt hatte, zählte nun nicht mehr, denn ihre Welt hatte sich in ein radioaktiv verseuchtes Katastrophengebiet verwandelt, in dem alle Dinge gleich wichtig oder unwichtig waren.
»Bist du das, Lena?«
Als sie die Stimme erkannte, erstarrte sie. Sie drehte sich um und sah Lamar Newton, eine Kamera geschultert, auf dem Parkplatz stehen. In seinen Augen las sie Argwohn und Enttäuschung. Doch auch das kümmerte sie nicht mehr.
»Was macht ihr denn hier?«, fragte sie.
»Der Freeway ist gesperrt. Außerdem ist im Griffith Park etwas passiert. Wahrscheinlich liegt dort eine Leiche. Also werden wir noch eine Weile bleiben.«
Sein Blick wanderte zwischen Lena und dem offenen Schrank hin und her.
»Sie können den Toten im Qualm nicht finden«, erwiderte sie.
Er nickte langsam und betrachtete die vom Himmel rieselnde Asche. »Die Flammen haben vor etwa einer Stunde den Freeway 101 überschritten. Die nördliche Seite der Stadt brennt von Malibu bis zur Rim of the World Road im Osten. Die Löscharbeiten werden sicher ein oder zwei Wochen dauern. Bis dahin müssen wir irgendwo Atemluft herkriegen. Warum kommst du nicht mit rein? Hier draußen ist es ziemlich ungemütlich.«
Lena schüttelte den Kopf. »Geht nicht, Lamar. Ich habe es eilig.«
»Dann erzähl mir doch, was du suchst.«
»Luminol«, antwortete sie. »Fertig angemischt.«
Seine Augen weiteten sich, als ihm ein Licht aufging. Luminol war eine Chemikalie, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennende Blutspuren sichtbar machte.
»Untersuchst du allein einen Tatort?«
»Ich habe es eilig, Lamar.«
Er musterte sie abschätzend von Kopf bis Fuß. »Du machst einen Fehler. Außerdem siehst du aus wie ein gottverdammter Zombie, und ich werde dir nicht helfen. Aber wenn ich Luminol suchen würde, würde ich vermutlich dort drüben nachschauen.«
Er wies auf einen Schrank in der Ecke. Lena drehte sich um, riss die Tür auf und griff nach der in einen Lappen gewickelten Sprühflasche.
»Die Wirkung hält nicht lange an«, fügte er hinzu. »Du brauchst eine Kamera.«
»Ich bin mit allem ausgestattet«, antwortete sie, sprang aus dem Transporter und rannte zu ihrem Auto.
Sie war allein. Ihre Hände zitterten. Lena fragte sich, ob sie es ertragen konnte. Wie würde sie die neue Wahrheit verkraften, die durch die Oberfläche schimmerte?
Lena schaltete ihre digitale Videokamera an, klickte sich durch das Menü bis zur Einstellung für schlechte Lichtverhältnisse und wählte die höchste Kontraststufe. Nachdem sie das Stativ mitten im Zimmer platziert hatte, justierte sie die Kamera so, dass Fensterladen, Teppich, Bett und Nachttisch ins Bild kamen. Nach dem Tod ihres Bruders hatte sie nur die Bilder an den Wänden ausgewechselt und die Kommode verschoben. Alles andere hatte sie unverändert gelassen.
Sie sah zu, wie ihr Finger auf RECORD drückte, und wartete, bis das Symbol im Display zu blinken aufhörte. Dann beobachtete sie, wie sie die Luminolflasche nahm und ums Bett herumging. Sie wusste, dass sie vorsichtig sein musste.
Luminol machte Blutspuren zwar sichtbar, wurde jedoch nur im äußersten Notfall verwendet.
Sie richtete die Düse der Sprühflasche auf das Loch im Fensterladen und drückte auf die Pumpe. Dann trat sie zurück und besprühte den unteren Teil der Wand und den Teppich. Ihr Herz klopfte, als sie Nachttisch und Kopfbrett einnebelte.
Alles war gleich wichtig und unwichtig. Aus dem Spiegel blickte ihr eine fremde Frau entgegen. Lena wandte sich ab.
Sie schüttelte die Flasche und musterte alle Flächen. Ein letztes Mal drückte sie auf die
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