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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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dekorativem hölzernem Gitterwerk, schmiedeeiserne Einfassungen um die Blumenbeete, geriffelte Verandasäulen mit italienischen Kapitellen, eine fein bemalte Kassettentür mit Buntglasfenster – dieses Haus war ein Inbegriff architektonischer Ordnung, ein Beleg für den langen Kampf der Menschheit gegen das Chaos und ihre Suche nach Bedeutung und Sinn.
    In der Zeit, in der Molly lebte, hatten die meisten Architekten eine Sterilität verfochten, die eine Ordnung ohne Sinn darstellte, oder sie hatten mit Bauten, denen jede Anmut fehlte, die Macht zelebriert. Indem die Moderne und ihre philosophischen Mittelsmänner die Grundlagen eben der Zivilisation verworfen hatten, aus der sie hervorgegangen waren, war Blendwerk statt echter Schönheit entstanden und Sensation anstelle von Hoffnung.
    Ihr ganzes Leben lang hatte Molly mit angesehen, wie die Welt zunehmend hässlicher und schäbiger geworden war, und während sie nun hinter Virgil die Stufen zur Veranda erklomm, überkam sie ein schmerzvolles Gefühl von Verlust. Dieses wunderschöne Haus, auf dessen Planung und Errichtung man so viel Liebe verwendet hatte, war ein Symbol für alles, was von den brutalen neuen Herren der Erde und ihren neuen Geschöpfen vernichtet werden würde. Die schrittweise Zerstörung, die von hundert Jahren Moderne verursacht worden war, war in weniger als einem Tag um das Tausendfache übertroffen worden, und
bald würde auch alles, was die Moderne geschaffen hatte, kaltblütig beseitigt werden.
    Die ganzen Torheiten der Menschheit hätte Molly nun liebend gern hingenommen, wenn das der Preis dafür gewesen wäre, alles Schöne an ihrer Zivilisation zu erhalten. Obgleich das menschliche Gemüt selbstsüchtig und arrogant war, kämpften doch viele gegen ihre Selbstsucht an und lernten Bescheidenheit; wegen dieser Menschen bestand Hoffnung, die verlorene Schönheit wiederzuentdecken und das, was in letzter Zeit geschmäht worden war, von Neuem entstehen zu lassen.
    Nun war es zu spät, denn die menschliche Spielart des Lebens war vielleicht bald so gründlich ausgerottet, als hätte sie nie existiert.
    Als Virgil die Haustür erreicht hatte, sah Molly sich nach Neil um, der mit den sechs Geiseln des Schicksals auf der Straße stand. Sieben gemeinsame Jahre waren so rasch vergangen; nicht einmal siebzig hätten ausgereicht.
    Die Kinder sahen unerträglich verwundbar aus. Immer schien das Böse ausgerechnet von Kindern angelockt zu werden. Wer am stärksten vom Bösen beherrscht war, genoss es offenbar am meisten, die Unschuld zu vernichten.
    Virgil blaffte ungeduldig.
    Wie in dem Haus, in dem sie Johnny und Abby gefunden hatten, ging die Tür von selbst auf, entweder weil der Hund die Macht hatte, sie zu öffnen, oder weil ein feindseliges Wesen im Haus Molly hereinlocken wollte wie eine Spinne, die eine Fliege in ihr Netz einlädt.
    Der Hund trottete über die Schwelle. Molly zögerte.
    Wenn dies die letzten Stunden ihres Lebens waren, dann wollte sie sie für die Kinder einsetzen, die sie brauchten, selbst wenn sie diese am Ende doch nicht retten konnte. Inzwischen war sie jedoch erschöpft, und ihre übernächtigten Augen brannten. Der Anblick zu vieler entsetzlicher Dinge hatte sie emotional ausgelaugt, und deshalb klaffte
zwischen guter Absicht und Tat ein Abgrund an Selbstzweifel.
    Ein Vers von Eliot kam ihr in den Sinn, der ihr ein wenig Kraft verlieh: Dem Leben mögt ihr euch entziehen, doch dem Tode nicht.
    Aus solchen nackten Wahrheiten konnte man grimmigen Mut schöpfen.
    Sie betrat das Haus.
    Obgleich niemand die Tür berührt hatte, schloss sie sich hinter Molly und Virgil.
    Wie in jenem anderen Haus in einer anderen Straße hörte Molly ein Rascheln in den Wänden, das Wimmeln einer vielbeinigen Schar oder das Schlagen unzähliger Flügel.
    Diesmal konnte sie nicht auf die moralische Unterstützung Neils zählen, nur auf die Führung des Schäferhunds, der womöglich im Dienst böser Mächte stand. Aber um ihrer Intuition und ihrer inneren Stimme vertrauen zu können, die sie bisher nie im Stich gelassen hatten, musste sie auch dem Hund vertrauen.
    Durch die Fensterscheiben lugte der violette Tag herein, ohne irgendetwas zu erhellen. Molly knipste die Taschenlampe an und versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie viel – oder wie wenig – Saft in den Batterien war.
    Virgil ging schnurstracks zur Treppe und betrat die erste Stufe.
    Während Molly hinter ihm hinaufstieg, hörte sie, wie sich das wirre Geräusch in den Wänden

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