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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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hinter sich vielleicht die Türen aufgelassen, entweder aus Nachlässigkeit oder aus fehlgeleitetem Mitleid für die Eingekerkerten. Es war aber auch möglich, dass die Insassen im Chaos die Kontrolle übernommen und sich selbst befreit hatten.
    Dies war das ultimative Halloween, sechs Wochen zu früh nach dem Kalender, und man brauchte keine Kürbislaternen und mit Laken verkleidete Gespenster, wenn die Nacht von so vielen Eiterspuren schwärenden Übels durchzogen war.
    »Die Bank«, schlug Neil vor.
    Alle Augen wandten sich ihm zu, blinzelnd, als wäre jeder Einzelne am Tisch – wie Molly – von seinen Worten aus einem Albtraum geweckt worden.
    »Die Bank«, erklärte Neil, »ist ein mit Kalkstein verkleideter Bau aus massivem Beton. Entstanden ist sie neunzehnhundertsechsunddreißig oder siebenunddreißig, als der Staat erstmals Vorschriften für erdbebensichere Gebäude erlassen hatte.«
    »Und damals hat man für die Ewigkeit gebaut«, sagte Molly.

    Tucker gefiel die Idee. »Der Architekt der Bank hat offensichtlich in erster Linie an die Sicherheit gedacht. Nur ein oder zwei Eingänge. Nicht viele Fenster, und die sind schmal.«
    »Und vergittert«, ergänzte Neil.
    Tucker nickte. »Ordentlich Platz für Menschen und Vorräte. «
    Vince Hoyt sagte: »Als Trainer hab ich bei keinem einzigen Spiel gedacht, wir verlieren auf jeden Fall, nicht mal im letzten Viertel, wenn die andere Mannschaft haushoch geführt hat; und ich hab nicht die Absicht, diese Haltung jetzt gegen eine Verlierermentalität einzutauschen. Da könnt ihr euch drauf verlassen. Aber abgesehen davon – die Bank hat noch einen weiteren Pluspunkt: den Tresorraum. Gepanzerte Wände, dicke Stahltür. Der ist ein fantastisches Schlupfloch, falls es so weit kommen sollte. Wenn sie die Tür aufbrechen und uns holen wollen, dann haben wir sie direkt vor den Flinten und können ’ne anständige Menge von den Bastarden mit ins Grab nehmen.«

20
    Mit der streng kontrollierten Haltung einer würdigen Landratte, die versucht, das Deck eines stampfenden Schiffs zu überqueren, ohne sich zu blamieren, schritt Derek Sawtelle vom Lager der Schluckspechte zu Mollys Stuhl im Kreis der Kämpfer. »Junge Dame«, sagte er, zu ihrem Ohr gebeugt, »selbst unter diesen Umständen sehen Sie bezaubernd aus.«
    »Und selbst unter diesen Umständen«, erwiderte sie gutmütig, »bist du ein alter Schwätzer!«
    »Könnte ich wohl mal kurz mit dir und Neil sprechen?«, fragte er. »Unter sechs Augen?«
    Er war ein vornehmer Säufer. Je mehr Gin Tonics er intus hatte, desto besser wurden seine Manieren.
    Da sie mit Derek seit fünf Jahren gut bekannt waren, wusste Molly, dass er in dieser Nacht nicht wegen des drohenden Zusammenbruchs der Zivilisation zur Flasche gegriffen hatte. Ein kontrollierter Rauschzustand war sein Lebensstil, seine Philosophie, seine Religion.
    Derek war ein altgedienter Literaturprofessor an der staatlichen Universität in San Bernardino, bald fünfundsechzig und der Emeritierung nahe, Spezialist für die amerikanische Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Seine Lieblingsautoren waren trinkfeste, machohafte Rabauken wie Ernest Hemingway oder Norman Mailer. Dabei beruhte seine Bewunderung nur teilweise auf deren literarischer Leistung, sie hatte auch etwas von der heimlichen Schwärmerei eines Mauerblümchens für den Footballstar der Highschool an sich.

    Da Derek durchaus nicht athletisch gebaut und außerdem zu sanft war, um sich in Kneipenschlägereien hervorzutun, dem blutigen Schauspiel eines Stierkampfs zuzujubeln oder eine Frau bei den Fesseln aus dem Fenster eines Hochhauses zu halten, konnte er seinen Helden nur nacheifern, indem er sich voll und ganz der Literatur und dem Gin hingab. Sein Leben lang war er in beidem geschwommen.
    Manche Hochschuldozenten gäben auch gute Schauspieler, denn sie sehen den Hörsaal als Bühne. Derek war einer von ihnen.
    Auf seine Bitte hin war Molly einige Male in seiner Vorlesung aufgetreten und hatte ihn auf seiner selbst gewählten Bühne in Aktion gesehen. Er war nicht nur ein unterhaltsamer, sondern auch ein sehr guter Lehrer.
    Während nun die Trommeln von Armageddon auf dem Dach dröhnten, war Derek so gekleidet, als müsste er gleich den Hörsaal betreten oder an einer Fakultätssitzung teilnehmen. Gut möglich, dass es auch bei den Professoren der Fünfzigerjahre nie besonders üblich gewesen war, mit Schurwollhose und Tweedsakko, bunter Weste, seidenem Einstecktuch und eigenhändig gebundener

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