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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Anzügen und Kleidern. Blind hinter ihren zugenähten Augenlidern. Taub gegenüber jeder Wahrheit, unfähig zu hoffen. Auferstanden nur im physischen Sinne – und vielleicht als höhnisches Possenspiel. Zerrbilder. Spottgestalten. Schändung und Entweihung.
    Wieder war jene unheimliche, fremdartige Kraft am Werk, die keinen Unterschied zwischen Lebenden und Toten oder zwischen Organischem und Unorganischem machte. Wurde die Erde womöglich nicht von Außerirdischen erobert, die von einem anderen Spiralarm der Milchstraße oder einer anderen Galaxie stammten, sondern von Wesen aus einem anderen Universum , wo alle Naturgesetze radikal anders waren als hier?
    Die Realität der Menschheit, die nach Gesetzen funktionierte, wie Einstein sie formuliert hatte, und die vollständig andere Realität der Invasoren waren kollidiert und hatten sich verflochten. An diesem Schnittpunkt war die schlimmste aller denkbaren neuen Welten entstanden, in der offenbar alles möglich war.
    Als die Toten aufgestanden waren, hatten sie die Verwesungsgase in ihrem Körper in Bewegung gebracht. Das, was Molly für den Gestank der weißen Pilzkolonie gehalten hatte, wurde schärfer und konnte nun korrekt gedeutet werden.
    Da Virgils Geruchssinn mindestens zehntausendmal schärfer und differenzierter war als der von Menschen, musste der Hund gewusst haben, was da auf den dunklen Bänken saß, doch als er daran vorbeigegangen war, hatte er nicht einmal warnend gebellt. Nun stand er zwischen den fünf Kindern. Seine Hingabe an die Mission, sie zu retten, übertraf selbst die außergewöhnlichsten Verhaltensweisen seiner Artgenossen, die Molly je gesehen hatte, und wieder kam ihr in den Sinn, dass dieser Hund auf irgendeine Weise, die sie nicht begriff, mehr war, als er zu sein schien.
    Die Naht des Leichenbestatters hatte nicht in jedem Fall gehalten, und bei einem der albtraumhaften Gemeindemitglieder waren beide Lider aufgeplatzt. Im Strahl der Taschenlampe sah man keine verwesten Augäpfel, sondern einen anderen Inhalt des Schädels, der aus den Augenhöhlen quoll: ein bekanntes schwarzes Pilzgewächs mit gelben Flecken.
    Gierig wie ein Blutegel saugte Furcht an Mollys Hoffnung. Als ihr Herz wieder zu hämmern begann, fand sie jedoch Ermutigung, ja sogar Trost in der Tatsache, dass diese Abgesandten des Grabes ihr weniger Angst machten als die Begegnung mit Render vorhin in der Kneipe.
    Ein Kadaver, der kaum noch Fleisch auf den Knochen hatte, beherbergte ein Exemplar des schwarz-gelben Pilzes im offenen Brustkorb. Eine weitere Kolonie wuchs auf seinem rechten Arm, und sie umkringelte ihn von der Schulter bis zum Handgelenk wie eine Schlange.
    Wieder bebte der Boden der Kirche. Die Dielen ächzten und knackten, als wäre darunter etwas vor Hunger erwacht und bereitete sich auf sein Mahl vor.
    Drei Kerzen fielen von der Kommunionbank. Eine erlosch von selbst, die Flammen der anderen trat Neil aus.
    Die Toten setzten sich in Bewegung. Dabei verhielten sie sich in keiner Hinsicht so, wie Molly es aus Horrorfilmen gewohnt war – sie wankten nicht, sie knurrten und zischten nicht, und sie schlugen auch nicht um sich vor Wut. Langsam, mit einer seltsamen Würde, schritten sie auf die drei Gänge zu – den nördlichen, den südlichen, den in der Mitte – und blockierten sämtliche Fluchtwege.
    Um zum Hauptportal zu gelangen, hätte die Gruppe am Altar mindestens drei dieser falschen Lazarusse überwinden müssen. Dazu war Molly nicht bereit, vor allem weil sie an die Kinder denken musste. Vielleicht hätte sie es selbst dann nicht gewagt, wenn sie allein gewesen wäre, trotz ihrer Pistole, ja nicht einmal mit einem Flammenwerfer.

    Neil, der stillschweigend mir ihr übereinstimmte, schlug eine Alternative vor: »Es gibt noch einen anderen Weg – durch die Sakristei und die Hintertür in den Pfarrhausgarten. «
    »Das ist keine gute Idee«, sagte der hagere Mann mit belegter Stimme, die sich so anhörte, als hätte er gute Gründe für seinen Einwand.
    Wie zur Bestätigung klapperte es im Altarraum hinter dem Geländer, wo der Kerzenschein nicht hinreichte.
    Obwohl Molly die zehn Leichen im Kirchenschiff nur ungern aus den Augen ließ, richtete sie ihre Taschenlampe nach vorne. Ein Priester stand am Hochaltar.
    Nein. Kein Priester. Nur seine Überreste.
    Hochwürden Dan Sullivan, der fast drei Jahrzehnte lang als Gemeindepfarrer fungiert hatte, war im August des Vorjahres gestorben. Nun war er an den Altar zurückgekehrt, als wären die täglichen

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