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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Rituale seines Lebens in den Zellen seines einbalsamierten Leichnams genetisch verankert gewesen und zwängen ihn nun wieder an die Arbeit.
    Von ihrer Warte aus sah Molly ihn nur im Profil, doch sie wusste, um wen es sich handelte. Er trug die Kleidung, in der er vor dreizehn Monaten begraben worden war: den schwarzen Anzug mit dem weißen Stehkragen. Sein weißes Haar war mit Schmutz verklebt, seine Priesterkleidung lehmverschmiert.
    Wenige Sekunden nachdem der Lichtkegel ihn erfasst hatte, packte der tote Priester mit beiden Fäusten das bestickte Tuch, das den Altar bedeckte, und zerrte heftig daran. Das Tabernakel krachte auf den Boden, seine Tür sprang auf, Ziborium, Patene und Kelch stürzten heraus.
    An diesem Gespenst musste man vorbei, um in die Sakristei zu gelangen. Immerhin war ein einziger Gegner von dieser Sorte weniger beängstigend als zehn.
    Wieder bebte der Boden, diesmal stärker als vorher. Die Bewegung erschütterte die Säulen und setzte sich bis in die
Decke fort, wo sie die Kronleuchter zum Schwingen brachte, an Ketten, die in allen Glieder knarrten und klirrten.
    Die restlichen Kerzen auf der Kommunionbank fielen herunter und rollten brennend unter die Bänke. Dort leckten sie am Bohnerwachs und wurden sofort heller.
    Neil knipste seine Taschenlampe an und reichte sie dem dicken Mann. »Ich gehe voraus, Sie bleiben dicht hinter mir und beleuchten den Weg für mich! «, sagte er.
    Virgil sprang über die niedrige Brüstung der Kommunionbank, und die fünf Kinder folgten ihm hastig.
    Von hinten näherte sich die makabre Schar der Untoten, ohne Eile, als könnte sie in die Zukunft blicken und wüsste, dass sie ihre bösen Absichten verwirklichen konnte, egal, ob sie sich nun beeilte oder nicht.

39
    Neben dem Votivkerzenständer mit seinen rubinroten Gläsern stieg Molly über die niedrige Brüstung in den Altarraum und folgte dem hageren Mann, der den Kindern und dem Hund folgte. Diese wiederum folgten dem Dicken mit der Taschenlampe und Neil.
    Der Kegel der ersten Taschenlampe schwenkte unablässig von einer Seite zur anderen, um den Weg zu erkunden, wie Neil es angeordnet hatte.
    Molly benutzte ihre Lampe, um hartnäckige Schatten aus verdächtigen Ecken zu vertreiben, immer darauf gefasst, früher oder später irgendetwas Grässliches aufzuscheuchen.
    Zwischen ihnen und dem Altar lag die Empore des Chors. Die darauf stehenden Stühle waren von den Stößen, die das Gebäude erschüttert hatten, durcheinandergeworfen worden.
    An der schweigenden Orgel vorbei stiegen sie nach oben. Die Tür zur Sakristei befand sich jenseits des Altars, drei Meter nach der letzten Stufe.
    Während sie wachsam, aber trotzdem möglichst schnell darauf zugingen, kam das Gräuel, das einst Pfarrer Sullivan gewesen war, auf sie zu, um sich ihnen in den Weg zu stellen.
    Molly richtete die Taschenlampe auf das Gesicht des toten Priesters. Es war aufgedunsen und fleckig. An den Mundwinkeln war die Haut aufgeplatzt wie eine überreife Pflaume. Das linke Auge war noch zugenäht, das rechte
stand offen; von seinem Oberlid hingen noch zerfetzte Fadenreste herab. Ohne zu blinzeln, reflektierte das milchige Auge das Licht mit einem silbernen Schimmer.
    Weil auch dies ein Bote der Verzweiflung war, dessen Anblick wohl die Hoffnung untergraben und den Mut schwächen sollte, hätte Molly lieber weggeschaut, konnte es jedoch nicht. Grauen und eine morbide Faszination fesselten ihren Blick – und das Gefühl einer bevorstehenden Erkenntnis, das sie schon in der Kneipe gespürt hatte, kurz nach der Begegnung mit Render. Hier war der Tod rückgängig gemacht worden, doch das entstandene Leben war nicht lebendig. Hier war eine wahnsinnige neue Weltordnung, die der Erde von den Herrschern eines fernen Planeten aufgezwungen wurde, ein Wunder der düstersten Art, das die Sinne gleichermaßen beleidigte, faszinierte, anekelte und in den Bann schlug.
    Schlagartig brach das Gesicht des Priesters auf, als wären Haut und Knochen nur eine zerbrechliche Fassade oder gar reine Illusion gewesen. Was dahinter gehaust hatte, platzte heraus, während sich die Hülle im selben Augenblick nach innen zusammenzog. Unter dem wirren weißen Haarschopf wurde eine Masse feuerroter Tentakel sichtbar, die mit langen Dornen oder Stacheln versehen waren. Sie sträubten und wanden sich, dämonisch genug, um über den zehnten Kreis der Hölle zu wachen, hätte Dante dort mehr als neun Kreise gefunden.
    Konkurrierende Echos eines Flintenschusses jagten sich

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