Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
heftige Klopfen ihres Herzens hindurchzulauschen, doch wieder hörte sie nichts.
    Am hinteren Ende der großen Gaststube, wo keine Tische mehr standen, ging der Flur zu den Toiletten ab.
Rechts davon war in der Wand eine Tür mit der Aufschrift PERSONAL.
    Das Kerzenlicht im vorderen Teil, wo die Leute sich zusammengeschart hatten, drang kaum bis zu den Schatten dort hinten vor. Molly sah die Tür nur, weil dahinter Licht flackerte. Sie stand eine Handbreit offen.
    Molly brannte nicht gerade darauf, allein und nur von einer Menge grässlicher Erwartungen begleitet weiter vorzudringen.
    Angesichts dessen, dass sie den Rest ihrer Tage wahrscheinlich in einem unergründlichen Gewirr von Rätseln verbringen musste, hätte sie eigentlich darauf verzichten können, die Antwort auf dieses Geheimnis zu erforschen. Obwohl sie von Natur aus neugierig war, schien klar zu sein, dass Neugier sie wie Blaubarts Frau ins Verderben führen würde.
    Eins hielt sie jedoch vom Rückzug ab. Cassie.
    Falls das Mädchen noch lebte, war es in Gefahr und großer Bedrängnis. Man konnte es einfach nicht im Stich lassen.
    Vielleicht war es ein Zufall, dass Cassies Haar blond war wie das von Rebecca Rose und dass ihre Augen so blau waren, wie es die Augen von Rebecca gewesen waren.
    Allerdings war Molly schon immer der Meinung gewesen, es gebe keine Zufälle. Da würde sie jetzt nicht anfangen, das Gegenteil zu glauben.
    In allen Dingen sah sie einen Plan, obgleich dessen Bedeutung häufig schwierig zu entschlüsseln war. Manchmal war das sogar so gut wie unmöglich. So wie hier und jetzt.
    Wenn sie beim Schreiben eines Romans den Punkt erreichte, an dem sie das Gefühl hatte, ihre Figuren seien lebendig, dann fingen diese an, aus eigenem Antrieb zu handeln, und taten Dinge, die Molly entzückten, faszinierten und entsetzten. Sie ließ ihnen ihren freien Willen und freute sich über ihre klugen Entscheidungen und Triumphe,
war traurig über ihre Dummheit und Gemeinheit und trauerte oft, wenn sie litten oder starben. Im Interesse der Selbstbestimmung ihrer Geschöpfe zeichnete sie die Ereignisse in deren Leben eher auf, als sie zu bestimmen. Nur selten zog sie an den Fäden; im Allgemeinen bot sie nur eine sanfte Führung, durch Zeichen und Hinweise, die die Figuren entweder begriffen und beachteten, oder die sie, zu ihrem Unglück, nicht begreifen wollten.
    Nun, da sie allein in der Gaststube stand, hoffte sie ebenfalls auf eine sanfte Führung, und falls sie diese nicht erkannte oder falsch deutete, dann hoffte sie, dass jemand zu ihren Gunsten kräftig an den Fäden zog.
    Die Frage war nicht, ob sie sich zurückziehen oder vorwärtsschreiten sollte. Ein Rückzug kam nicht in Frage. Sie kannte ihre Rolle: Sie musste Kinder retten, und sie ließ keines im Stich.
    Hätte Cassie braune Haare und keinerlei Ähnlichkeit mit Rebecca Rose gehabt, so hätte Molly sie dennoch nicht alleinlassen können. Es ging nicht um die Entscheidung, ob sie das Mädchen retten sollte oder nicht, sondern wie sie es am besten finden und hier herausholen konnte.
    Am Ende der Gaststube stand die Tür mit der Aufschrift PERSONAL ein Stück weit offen. Das flackernde Licht in dem Raum dahinter schien Molly anlocken zu wollen.
    Vielleicht war das ein Zeichen. Vielleicht war es auch eine Falle.

46
    Argwöhnisch behielt Molly die Tür im Auge, während sie zum Ende des Tresens ging. Sie öffnete die Schranke und spähte in den schmalen Gang herein, in dem Russell Tewkes gestanden hatte, um Bier zu zapfen und Drinks zu mixen.
    Molly richtete die Taschenlampe nach unten. Zwischen den scharfen Scherben des zerborstenen Spiegels hockte niemand.
    Schlammige Dunkelheit erfüllte den Flur, der zu den Toiletten führte. Der Strahl der Lampe wusch sie weg, fand jedoch auch hier keine Menschenseele.
    Molly überlegte, ob sie die Toiletten durchsuchen sollte. Besonders scharf darauf war sie nicht.
    Einerseits machte sie sich Sorgen wegen der Größe, die das schwarze Pilzgewächs inzwischen wahrscheinlich erreicht hatte. Welche Fähigkeiten besaß es wohl?
    Andererseits hatte sie in der Damentoilette das Fenster, aus dem Render verschwunden war, nicht geschlossen. Inzwischen konnte irgendetwas aus der gespenstischen Nacht hereingekrochen sein, und wenn sie im engen Vorraum stand, dann würden die drei geschlossenen Kabinentüren sie anstarren wie drei Schachteldeckel, die jeden Moment aufspringen konnten, um eine höllische Überraschung preiszugeben.
    Außerdem passten in die beiden

Weitere Kostenlose Bücher