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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Toiletten keine vierzig Menschen, und Molly rechnete nicht damit, die Verschwundenen
grüppchenweise vorzufinden, ob tot oder lebendig, sondern zusammen an einem Ort.
    Wieder spürte sie die Wahrheit, dass sie sich am reglosen Pol der sich drehenden Welt befand, wo Vergangenheit und Zukunft in einem Augenblick zusammenfanden.
    Obwohl sie sich ihr ganzes Leben lang gegen dieses Wissen gewehrt und, auf ihre Ambitionen konzentriert, entschlossen in der Zukunft gelebt hatte, begriff sie nun endlich, dass dies die eigentliche Natur des Menschseins war: Der Tanz des Lebens vollzog sich nicht gestern oder morgen, sondern nur hier am Ruhepunkt der Gegenwart. Diese Wahrheit ist einfach und eigentlich selbstverständlich, aber schwierig zu akzeptieren, denn wir schwelgen gern in einer sentimentalen Vergangenheit, während wir den Augenblick ertragen und in jeder wachen Stunde von der Zukunft träumen.
    Was Molly bisher in ihrem Leben getan hatte, summierte sich zu ihrer inneren Geschichte, die unveränderlich und unauslöschlich war. Was sie in der Zukunft zu tun hoffte, hatte keinerlei Bedeutung, wenn es ihr nicht gelang, im Tanz des Lebens jeden Augenblick das zu tun, was richtig und gut war. Genau jetzt. In diesem Augenblick.
    Cassie. Sie musste Cassie finden. Wenn sie sich im jetzigen Moment bemühte, Cassie zu finden, war die Vergangenheit ebenso im Lot wie die Zukunft.
    Mit Pistole und Taschenlampe – und mit Zittern – näherte sie sich vorsichtig der Tür mit der Aufschrift PERSONAL.
    Durch den Spalt sah sie sechs oder acht Kerzen in Glaskugeln auf dem Boden stehen. Salamander aus aprikosenfarbenem Licht krochen die Wände empor.
    Als sie der Tür mit dem Fuß einen leichten Stoß gab, schwang sie auf gut geölten Angeln glatt nach innen.
    Im Kerzenschein war niemand zu sehen. Auch im Licht der Taschenlampe nicht, als sie den Raum von der Schwelle aus damit absuchte.

    Vor ihr befand sich offenbar der Raum, der zur Warenannahme diente. Er war etwa vier mal fünf Meter groß und fensterlos. Ein grau gefliester Boden mit einem Ablauf in der Mitte. Nackte Betonwände.
    Direkt gegenüber sah Molly eine breite Metalltür, die wohl zu der Seitenstraße hinter der Kneipe führte. Dort parkten die Bierlaster und andere Lieferwagen.
    An der rechten Wand spiegelten sich die Kerzenflammen in der matten Edelstahltür eines Aufzugs.
    Ein Obergeschoss hatte das Gebäude nicht, also diente der Aufzug zum Transport der Waren in den Keller.
    In der linken Wand stand eine weitere Tür halb offen. Logischerweise musste sich dahinter die Kellertreppe befinden.
    Zwischen der Schwelle, auf der Molly stand, und der Kellertür entdeckte der Kegel der Taschenlampe eine feuchte Blutspur auf dem grauen Beton. Sie war nicht breit, nur ein Muster aus Tröpfchen, teils unberührt, teils verschmiert.
    Da der Strom ausgefallen war, hatten sie nicht den Aufzug hinab zu dem Wahnsinn genommen, der sie unten erwartete. Ob unter Zwang oder aus eigenem Antrieb, sie waren hintereinander die enge Treppe hinuntergestiegen, nackt und blutend.
    Ein Frösteln lief Molly das Rückgrat hinunter, als sie sich die seltsame Prozession vorstellte und sich fragte, welche Zeremonie oder Barbarei die Leute im Keller wohl erlebt hatten.
    Sie warf einen Blick zurück in die verlassene Gaststube. Nichts hatte sich verändert.
    Bemüht, möglichst nicht ins Blut zu treten, folgte sie dem Strahl ihrer Taschenlampe entlang der Spur, die ihre Nachbarn vor kurzer Zeit gelegt hatten.
    Der Messingknauf der Kellertür war von unzähligen zitternden Händen mit einer blutigen Patina versehen worden. Molly nahm den Fuß, um die Tür aufzudrücken.

    Hinter der Schwelle sah sie einen kleinen Treppenabsatz aus hellem, rot beflecktem Holz. Statt ihn zu betreten, lehnte sie sich ein wenig vor.
    Ein kalter Luftzug strich an ihr vorbei. Er brachte einen Geruch mit sich, den sie noch nie gerochen hatte und nur schwer hätte beschreiben können. Es war kein übler Geruch, eigentlich nicht einmal unangenehm, und doch beunruhigend.
    Eine enge, steile Treppe führte zu einem weiteren Absatz, von wo aus eine kürzere Treppe nach links in den Keller abbog.
    Offenbar hatte niemand eine Kerze mit hinuntergenommen. Nur die Taschenlampe erleuchtete die Stufen.
    Als Molly sich vorstellte, wie ihre Nachbarn blind dort hinuntergestiegen waren, wurden ihr vor Mitgefühl die Knie schwach.
    Dunkel, dunkel, dunkel – sie alle gehen ein ins Dunkel.
    Die letzten paar Stufen des unteren Teils waren von

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