Todesreigen
einigermaßen zwielichtige Geschäfte verwickelt waren, hatte niemand ein Problem mit ihr als Person. Und dabei schien sie immer für die besonders scheußlichen Kunden zuständig zu sein.«
Rhyme war unruhig, aus Gründen, die über die Gefahr, in der Susan Thompson schwebte, hinausgingen. Das Problem war, dass es sich hier nicht um einen richtigen Fall handelte. Sie waren hineingestolpert, weil sie jemandem einen Gefallen tun wollten; es war ein Weihnachtsgeschenk, wie Sellitto es ausgedrückt hatte. Er brauchte mehr Fakten; er brauchte eine richtige kriminaltechnische Untersuchung. Er hatte immer den Standpunkt vertreten, dass man einen Fall entweder mit hundertzehnprozentigem Einsatz bearbeiten sollte oder gar nicht.
Thom brachte frischen Kaffee und füllte das Tablett mit den grotesken Plätzchen auf. Dalton nickte dem Betreuer zu und dankte ihm. Dann bediente sich der Geschäftsmann selbst aus der Kanne mit Kaffee. »Möchtest du auch welchen?«, fragte er Carly.
»Ja, warum nicht.«
Er füllte ihre Tasse und fragte: »Sonst noch jemand?«
Niemand sonst wollte etwas. Doch Rhymes Augen wurden von dem Macallan im Regal angezogen. Und siehe da, Thom griff ohne eine Silbe des Protestes nach der Flasche und trat damit an Rhymes Storm Arrow heran. Er öffnete den Becher, runzelte die Stirn und schnüffelte. »Komisch, ich dachte, ich hätte ihn gestern Abend ausgespült. Scheinbar hab ich es vergessen«, bemerkte er ironisch.
»Niemand ist perfekt«, erwiderte Rhyme.
Thom goss einige Fingerbreit in den Becher und befestigte ihn wieder in dem Halter.
»Danke, Balthazar. Fürs Erste darfst du deinen Job behalten… trotz des Unkrauts hinten an meinem Rollstuhl.«
»Magst du es nicht? Ich hab doch gesagt, dass ich für die Feiertage dekorieren wollte.«
»Das Haus. Nicht mich.«
»Was können wir jetzt unternehmen?«, fragte Dalton.
»Wir warten«, sagte Sellitto. »Die Zulassungsstelle überprüft alle Malibus mit der entsprechenden Zahlenkombination im Kennzeichen. Vielleicht haben wir auch richtiges Glück, und irgendein Streifenpolizist auf der Straße entdeckt den Wagen.« Er nahm seinen Mantel von einem Stuhl. »Ich muss für eine Weile ins Big Building. Ruft mich an, wenn irgendwas passiert.«
Dalton dankte ihm, schaute auf die Armbanduhr, nahm sein Handy und rief sein Büro an, um Bescheid zu geben, dass er nicht zur Weihnachtsfeier kommen würde. Er erklärte, dass die Polizei das Verschwinden seiner Exfrau untersuche und dass er im Augenblick bei seiner Tochter sei. Er wolle das Mädchen jetzt nicht allein lassen.
Carly umarmte ihn. »Danke, Dad.« Ihre Augen hoben sich zum Fenster und starrten auf den wirbelnden Schnee. Ein langer Moment verstrich. Carly schaute die anderen Personen im Zimmer an, ehe sie sich wieder ihrem Vater zuwandte. Mit sanfter Stimme sagte sie: »Ich hab mich immer gefragt, was passiert wäre, wenn du und Mom euch nicht getrennt hättet.«
Dalton lachte, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und brachte seine Frisur dadurch noch mehr in Unordnung. »Das hab ich mich auch gefragt.«
Sachs warf Rhyme einen Blick zu. Dann wandten sich beide ab und ließen Vater und Tochter ihr Gespräch in relativer Ungestörtheit fortsetzen.
»Die Typen, die Mom getroffen hat, waren ganz in Ordnung. Aber nichts Besonderes. Mit keinem hat es länger gedauert.«
»Es ist schwer, den richtigen Menschen zu finden«, sagte Dalton.
»Ich glaube…«
»Was?«
»Ich glaube, ich hab mir immer gewünscht, dass ihr wieder zusammenkommt.«
Dalton schienen einen Augenblick lang die Worte zu fehlen. »Ich hab’s versucht, das weißt du. Aber deine Mom hatte ganz andere Vorstellungen.«
»Vor zwei Jahren hast du aber aufgehört, es zu versuchen.«
»Ich konnte die Anzeichen klar erkennen. Man muss sein Leben irgendwie weiterführen.«
»Aber sie vermisst dich. Ich weiß es.«
Dalton lachte. »Oh, davon weiß ich allerdings nichts.«
»Nein, nein, wirklich. Wenn ich sie nach dir frage, erzählt sie mir immer, was für ein cooler Typ du warst. Dass du witzig warst. Sie sagt, du hättest sie zum Lachen gebracht.«
»Wir hatten gute Zeiten zusammen.«
Carly sagte: »Als ich Mom gefragt hab, was zwischen euch vorgefallen ist, hat sie gesagt, dass nichts furchtbar Schreckliches passiert ist.«
»Stimmt«, erwiderte Dalton und nippte an seinem Kaffee. »Wir wussten damals bloß nicht, wie wir als Mann und Frau zusammenleben sollten. Wir hatten zu jung geheiratet.«
»Na ja, aber jetzt seid ihr
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