Todesreigen
auszubrechen. »Moment, Rhyme. Ich fahre gerade seitwärts.«
Sie brachte ihn wieder unter Kontrolle. »Ein VW mit Achtzig auf der Überholspur. Mann, frierst du dabei nicht fest?«
Eine Meile weiter holte sie den Streifenwagen ein, der sich ein Stück zurückhielt, um von dem Malibu nicht entdeckt zu werden. Sie spähte an dem Polizeiwagen vorbei und sah, dass der Malibu auf die rechte Spur wechselte und vor einer Ausfahrt den Blinker setzte.
»Rhyme, kannst du mir eine direkte Verbindung zu dem Streifenwagen besorgen?«
»Moment…« Nach längerer Pause ertönte Rhymes frustrierte Stimme. »Ich kapiere nie…« Er wurde abgeschnitten, und sie hörte ein zweimaliges Klicken. Dann sagte der Streifenpolizist: »Detective Sachs?«
»Ich bin hier. Sprechen Sie.«
»Sind Sie das gleich hinter mir, in diesem feinen roten Satz Räder?«
»Ja.«
»Wie wollen Sie die Sache angehen?«
»Wer fährt den Wagen? Der Mann oder die Frau?«
»Der Mann.«
Sie überlegte einen Moment. »Tun Sie so, als ginge es um eine routinemäßige Verkehrskontrolle. Winken Sie ihn raus oder so was. Sobald er auf dem Seitenstreifen hält, fahre ich vor, damit wir ihn zwischen uns haben. Sie übernehmen die Beifahrerseite, und ich hole den Fahrer raus. Wir wissen nicht, ob er bewaffnet ist. Aber da es sich wahrscheinlich um eine Entführung handelt, gehen Sie besser davon aus, dass er eine Waffe trägt.«
»Verstanden, Detective.«
»Okay, dann legen wir los.«
Der Malibu nahm die Ausfahrt. Sachs versuchte, durch das Rückfenster zu schauen, doch wegen des Schnees konnte sie nichts erkennen. Das burgunderrote Auto rollte die Rampe hinunter und bremste langsam, um schließlich an einer roten Ampel zum Stehen zu kommen. Als die Ampel auf Grün umsprang, setzte sich der Wagen in dem Matsch und Schnee vorsichtig in Bewegung.
Die Stimme des Streifenpolizisten knisterte an ihrem Ohr: »Detective Sachs, sind Sie bereit?«
»Klar. Schnappen wir ihn.«
Die Blinklichter seines Police Interceptor Crown Victoria leuchteten auf. Dazu ließ er die Sirene kurz aufheulen. Der Fahrer des Malibu hob den Blick zum Rückspiegel, und das Auto geriet kurz ins Schleudern. Dann blieb es am Rand der Straße stehen, die links von öden Stadthäusern und rechts von schilfigem Marschland gesäumt wurde.
Sachs trat aufs Gaspedal, kam schleudernd vor dem Malibu zum Stehen und blockierte ihn. In Sekundenschnelle war sie aus dem Wagen heraus, zog die Glock aus ihrem Halfter und lief schnell auf das Auto zu.
Vierzig Minuten später betrat eine grimmige Amelia Sachs Rhymes Stadthaus.
»Wie schlimm war es?«, fragte Rhyme.
»Ziemlich schlimm.« Sie goss sich einen doppelten Scotch ein und trank das Glas schnell zur Hälfte leer. Ungewöhnlich für sie; normalerweise nippte Amelia Sachs nur an ihren Drinks.
»Ziemlich schlimm«, wiederholte sie.
Allerdings bezog Sachs sich dabei nicht auf eine blutige Schießerei in Jersey, sondern auf die Blamage, die sie sich geleistet hatten.
»Erzähl schon.«
Sachs hatte noch am Straßenrand ihr Funkgerät genommen, um Rhyme, Carly und Anthony Dalton mitzuteilen, dass Susan wohlauf sei. Allerdings hatte sie bisher nicht die Möglichkeit gehabt, in die Details zu gehen. Die erklärte sie jetzt: »Der Mann im Wagen war der Typ, den sie seit einigen Wochen trifft.« Ein Seitenblick auf Carly. »Rich Musgrave, den Sie erwähnt hatten. Es ist sein Auto. Er rief sie heute Morgen an, und sie beschlossen, nach Jersey zu fahren und in den Outlet-Einkaufszentren Besorgungen zu machen. Dann rutschte sie allerdings auf dem Eis aus, als sie die Morgenzeitung hereinholen wollte.«
Dalton nickte. »Der Pfad zur Haustür… er ist wie ein Skihang.«
Carly zuckte zusammen. »Mom hat immer gesagt, sie wäre sehr ungeschickt.«
Sachs fuhr fort: »Sie hatte Schmerzen im Knie und wollte deshalb nicht fahren. Also rief sie Rich zurück und bat ihn, sie abzuholen. Oh, diese Stelle im Schnee, wo ich dachte, jemand hätte durchs Fenster geschaut… Da ist sie ausgerutscht.«
»Deswegen war er so dicht neben ihr«, sagte Rhyme. »Er hat sie beim Gehen gestützt.«
Sachs nickte. »Und ihr Besuch in der Bank hatte auch nichts Geheimnisvolles – sie brauchte wirklich etwas aus ihrem Schließfach. Und die tausend Dollar waren für Weihnachtseinkäufe gedacht.«
Carly runzelte die Stirn. »Aber ich hab doch darauf gewartet, dass sie vorbeikommt. Warum hat sie nicht angerufen?«
»Oh, sie hat Ihnen eine Nachricht geschrieben.«
»Eine
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