Todesreigen
Haus, ohne dass mich jemand sah, und versteckte mich unter einer Stechpalme, um wieder zu Atem zu kommen.
Dann war es Zeit, zu handeln, Frank. Ich lehnte mich an die Seite des Hauses, horchte auf den Regen und fragte mich, ob ich den Mut haben würde, es durchzuziehen.«
»Und du hast es getan.«
Manko grinste jungenhaft und deutete eine Imitation von Pacino in Gangsterpose an. »Ich brach ins Erdgeschoss ein, schlich nach oben zu ihrem Zimmer und holte sie aus dem Laden raus.
Wir nahmen keine Koffer und nichts mit. Wir hauten bloß so schnell wir konnten ab. Niemand hörte uns. Der Sicherheitstyp saß im Wohnzimmer und war bei der
Tonight Show
eingeschlafen. Allison und ich stiegen in meinen Wagen und waren in null Komma nichts auf dem Highway.
Easy Rider
, Mann. Wir waren frei! Auf der Straße, nur sie und ich. Wir waren entkommen. Wir steckten mitten in dem Abenteuer, das Allison immer gewollt hatte. Endlich waren wir beide glücklich.
Ich fuhr mit Tempo hundertzwei Richtung Interstate, genau auf den Punkt, denn wenn man bloß zwölf Stundenkilometer über dem Limit fährt, wird man nicht angehalten. Das ist eine Regel bei der Staatspolizei, hab ich irgendwo gehört. Ich blieb auf der rechten Spur und hielt mit dem alten Dodge Richtung Ostsüdost. Kein einziger Halt. Ohio, West Virginia, Virginia, North Carolina. Sobald wir anfingen, Staatsgrenzen zu überqueren, ging es mir besser. Natürlich würde ihr Vater seine Reise abbrechen und die örtlichen Cops anrufen, aber ich hatte meine Zweifel, ob sie auch die Highway-Polizei einschalten würden. Ich meine, dafür hätte er eine Menge Erklärungen abgeben müssen – warum er seine Tochter wie eine Gefangene behandelte und solche Sachen.« Manko schüttelte den Kopf. »Aber weißt du, was ich getan habe?«
Aus seinem reuevollen Blick konnte ich schließen, was er meinte: »Du hast den Feind unterschätzt.«
Manko schüttelte den Kopf. »Thomas Morgan«, erwiderte er nachdenklich. »Ich glaube, er ist ’ne Art Pate oder so was gewesen.«
»Vermutlich gibt es solche Leute auch in Ohio.«
»Er hatte überall Freunde. Polizisten in Virginia, Carolina, überall! Geld bedeutet Macht, wie wir eben gesagt haben. Wir fuhren südlich auf der Route 21, Richtung Charlotte, als ich ihnen begegnete. Ich ging in einen 7-Eleven, um etwas zu essen und Bier zu kaufen, und plötzlich tauchen da ein paar dieser guten alten Jungs auf, mit ihren grauen Hüten und allem, und fragen den Verkäufer nach einem flüchtigen Paar aus Ohio. Ich meine, nach
uns
! Ich schaffte es, nach draußen zu kommen, ohne dass sie uns gesehen haben, und dann nichts wie weg, sag ich dir. Wir fuhren eine ganze Weile, aber irgendwann war es kurz vor der Morgendämmerung, und ich dachte, es wäre sicher besser, sich tagsüber aufs Ohr zu legen.
Ich fuhr also in ein großes Waldgebiet. Wir verbrachten den ganzen Tag zusammen und lagen einfach da. Ich hielt sie in den Armen, und ihr Kopf lag auf meiner Brust. Wir lagen einfach im Gras, und ich erzählte ihr Geschichten von den Orten, an die wir reisen wollten. Die Philippinen, Thailand, Kalifornien. Und ich erzählte ihr auch, wie das Leben in Florida werden würde.«
Auf seinem Gesicht lag ein ernster Ausdruck. »Ich hätte sie haben können, Frank. Verstehst du, was ich sage? Gleich dort auf der Stelle. Im Gras. Mit den Insekten, die um uns herumsummten. Und in der Nähe konnte man diesen Fluss hören, einen Wasserfall.« Manko war immer leiser geworden, jetzt murmelte er nur noch. »Aber es wäre nicht richtig gewesen. Ich wollte, dass alles perfekt ist. Ich wollte, dass wir in unserer eigenen Wohnung sind, in Florida, in unserem Schlafzimmer, verheiratet. Das klingt altmodisch, ich weiß. Glaubst du, es war dumm von mir? Das glaubst du nicht, oder?«
»Nein, Manko, das ist überhaupt nicht dumm.« Verlegen suchte ich nach etwas, das ich hinzufügen konnte. »Es war gut von dir.«
Er wirkte einen Moment völlig einsam. Vielleicht bedauerte er seine Entscheidung – dumm oder weise –, ihre Beziehung keusch gehalten zu haben.
»Dann«, fuhr er mit einem teuflischen Lächeln fort, »wurde es richtig haarig. Um Mitternacht waren wir wieder auf dem Weg nach Süden. Da kommt uns dieser Wagen entgegen und bremst plötzlich ab. Macht eine halbe Drehung und verfolgt uns. Morgans Leute. Ich hab sofort den Highway verlassen und Nebenstraßen in Richtung Osten genommen. Mann, was für eine Fahrt! Einspurige Brücken, ungeteerte Straßen. Mit Vollgas durch
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