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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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hier ist ein Mr. Ralston.«
    »Gut. Schicken Sie ihn herein, Loretta.«
    Die Tür öffnete sich, und ein Mann trat ein. »Hallo«, sagte er.
    »Hey«, antwortete Sandra May und erhob sich automatisch, ehe ihr bewusst wurde, dass Frauen im ländlichen Süden selten aufstanden, um Männer zu begrüßen. Dabei dachte sie: Wie sehr sich mein Leben in den letzten sechs Monaten doch verändert hat.
    Wie schon bei ihrer Begegnung am vergangenen Wochenende registrierte sie, dass Bill Ralston kein wirklich gut aussehender Mann war. Sein Gesicht wirkte eckig, sein schwarzes Haar widerspenstig, und obwohl er schlank war, schien er nicht besonders gut in Form zu sein.
    Und dieser Akzent! Am letzten Sonntag auf der Dachterrasse des Pine-Creek-Country-Clubs – oder was man hier dafür hielt – hatte er gegrinst und gefragt: »Wie läuft’s denn so? Ich bin Bill Ralston. Ich komme aus New York.«
    Als ob sein nasaler Tonfall es ihr nicht längst verraten hätte.
    Und »Wie läuft’s denn so?« Nun, das war kaum die Art Begrüßung, die man von den Einheimischen zu hören bekam (den »Pine Creakers«, Kiefernknarrern, wie Sandra May sie bezeichnete – wenn auch bloß im Stillen).
    »Kommen Sie rein«, sagte sie. Sie ging zur Couch hinüber und lud ihn mit einer Handbewegung ein, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Beim Gehen behielt Sandra May den Spiegel im Blick. Sie beobachtete seine Augen und stellte fest, dass er nicht ein Mal auf ihren Körper schielte. Das war gut, dachte sie. Den ersten Test hatte er bestanden. Er nahm Platz und musterte das Büro und die Bilder an der Wand, die überwiegend Jim bei seinen Jagd- oder Angelausflügen zeigten.
    Wieder musste sie an jenen Tag vor Halloween denken, an den Polizisten am anderen Ende der Telefonleitung und den kummervollen Klang in seiner Stimme.
    »Mrs. DuMont… Es tut mir sehr Leid, Ihnen so etwas sagen zu müssen. Es geht um Ihren Mann…«
    Nein, denk jetzt nicht daran. Konzentrier dich. Du steckst ziemlich in der Tinte, Mädchen, und hier könnte der einzige Mensch auf der Welt vor dir sitzen, der dir helfen kann.
    Sandra Mays erster Impuls war, Kaffee oder Tee für Ralston zu holen. Doch sie beherrschte sich. Sie war nun Chefin der Firma und hatte Angestellte für diese Dinge. Alte Traditionen sterben nur schwer aus – noch eine Weisheit von Sandra Mays Mutter, die selbst der Fleisch gewordene Beweis für dieses Sprichwort war.
    »Möchten Sie irgendetwas? Süßen Tee?«
    Er lachte. »Ihr Leute hier unten trinkt wirklich eine Menge Eistee.«
    »Für Sie ist das typisch für den Süden.«
    »Klar. Ich nehme aber gern einen Schluck.«
    Sie rief Loretta, Jims altgediente Sekretärin und Büroleiterin.
    Die hübsche Frau – die jeden Morgen zwei Stunden mit dem Auftragen ihres Make-ups verbringen musste – steckte den Kopf zur Tür herein. »Ja, Mrs. DuMont?«
    »Würden Sie uns bitte Eistee bringen?«
    »Aber gern.« Die Frau verschwand und hinterließ eine Wolke blumigen Parfüms im Raum. Ralston nickte in ihre Richtung. »In Pine Creek sind alle furchtbar höflich. Als New Yorker braucht man ’ne Weile, um sich daran zu gewöhnen.«
    »Ich sage Ihnen, Mr. Ralston…«
    »Bill, bitte.«
    »Bill… Das ist die zweite Natur der Menschen hier unten. Höflich zu sein. Meine Mutter hat immer gesagt, man müsse sich morgens die guten Manieren anziehen, genau wie man sich die Kleider anzieht.«
    Er lächelte über diesen Wink mit dem Zaunpfahl.
    Und wo sie schon von Kleidern sprachen… Sandra May wusste nicht recht, was sie von seiner Kleidung halten sollte. Bill Ralston trug… nun ja,
Nordstaatenmode.
Nur so konnte man sie beschreiben. Schwarzer Anzug und schwarzes Hemd. Keine Krawatte. Das genaue Gegenteil von Jim – der braune Hosen trug, dazu ein taubenblaues Hemd und ein hellbraunes Sportsakko, als wäre dieses Outfit eine verbindliche Uniform.
    »Ist das Ihr Mann?«, fragte er, als er die Bilder an der Wand betrachtete.
    »Das ist Jim, ja«, antwortete sie leise.
    »Ein nett aussehender Mann. Darf ich fragen, was passiert ist?«
    Sie zögerte einen Moment, und Ralston reagierte sofort.
    »Tut mir Leid«, sagte er. »Ich hätte nicht fragen dürfen. Es ist…«
    Doch sie unterbrach ihn. »Nein, es ist schon in Ordnung. Es macht mir nichts aus, darüber zu reden. Ein Unfall beim Angeln im letzten Herbst. Am Billings Lake. Er fiel hinein, stieß sich den Kopf an und ertrank.«
    »Mann, das ist ja schrecklich. Haben Sie ihn bei diesem Ausflug begleitet?«
    Mit einem hohlen

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