Todesreigen
Lachen antwortete sie: »Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen. Aber ich habe ihn nur ein oder zwei Mal begleitet. Angeln ist so… schmutzig. Man spießt das arme Tier auf den Haken, schlägt ihm mit einem Knüppel über den Kopf, schlitzt es auf… Abgesehen davon sind Sie wohl nicht mit dem Protokoll hier im Süden vertraut. Ehefrauen angeln nicht.«
Sie schaute auf, betrachtete einige der Bilder und sagte nachdenklich: »Jim war erst siebenundvierzig. Ich glaube, wenn man sich den Tod des Menschen vorstellt, mit dem man verheiratet ist, dann denkt man immer, es passiert im Alter. Meine Mutter starb mit achtzig und mein Vater mit einundachtzig. Sie waren achtundfünfzig Jahre zusammen.«
»Das ist wunderbar.«
»Glücklich, treu und einander ergeben«, sagte sie wehmütig.
Loretta brachte den Tee und zog sich mit der Nüchternheit einer diskreten Dienerin gleich wieder zurück.
»Also«, begann er. »Ich bin erfreut, dass die attraktive Frau, die ich so weltmännisch angesprochen habe, mich tatsächlich angerufen hat.«
»Ihr Jungs aus dem Norden seid ziemlich geradeheraus, was?«
»Worauf Sie sich verlassen können.«
»Nun, ich hoffe, es wird Ihrem Ego keinen allzu heftigen Schlag versetzen, wenn ich Ihnen erkläre, dass ich Sie aus einem bestimmten Grund hergebeten habe.«
»Das hängt davon ab, aus welchem Grund.«
»Geschäfte.«
»Geschäfte sind ein guter Anfang«, erklärte er. Dann forderte er sie mit einem Nicken auf, fortzufahren.
»Ich habe nach Jims Tod sämtliche Firmenanteile geerbt und wurde Geschäftsführerin. Ich habe mein Bestes gegeben, um den Laden am Laufen zu halten, aber so wie ich die Dinge sehe«– sie deutete mit dem Kopf auf die Berichte des Buchhalters, die auf dem Schreibtisch lagen –»muss es ziemlich schnell bergauf gehen, sonst sind wir in einem Jahr bankrott. Ich habe ein bisschen Geld von der Versicherung bekommen, als Jim starb, also werde ich nicht verhungern. Allerdings wehre ich mich gegen die Vorstellung, etwas, das mein Mann aus dem Nichts aufgebaut hat, einfach untergehen zu lassen.«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich Ihnen helfen könnte?« Sein Lächeln war immer noch präsent, doch das Spielerische darin, das sie noch vor ein paar Minuten beobachtet hatte, hatte nachgelassen – und deutlich nachgelassen gegenüber letztem Sonntag.
»Meine Mutter hat immer gesagt: ›Eine Frau im Süden muss eine Spur stärker sein als ihr Mann.‹ Und
das
bin ich. Sie können es mir glauben.«
»Das sehe ich«, erwiderte Ralston.
»Außerdem sagte sie: ›Sie muss auch eine Spur klüger sein.‹ Und zur Klugheit gehört es, die eigenen Grenzen zu erkennen. Nun, bevor ich Jim kennen lernte, habe ich dreieinhalb Jahre auf dem College verbracht. Aber in dieser Rolle hier bin ich überfordert. Ich brauche jemanden, der mir hilft. Jemanden, der sich im Geschäftsleben auskennt. Und nach allem, was Sie mir am Sonntag im Club erzählt haben, sind Sie genau der richtige Mann dafür.«
Bei ihrer ersten Begegnung hatte er erzählt, dass er Banker und Broker wäre. Er kaufte kleine, in Schwierigkeiten geratene Firmen auf, brachte sie wieder in die Gewinnzone und verkaufte sie dann mit Profit. Er war geschäftlich in Atlanta gewesen, da ihm jemand empfohlen hatte, sich im nordöstlichen Georgia, hier in den Bergen, nach Immobilien umzusehen, wo man noch immer gute Geschäfte mit Grundstücken für Investoren oder für Ferienanlagen machen konnte.
»Erzählen Sie mir etwas über die Firma«, sagte er.
Sie erklärte, dass DuMont Inc. mit seinen sechzehn Vollzeitangestellten und einer Horde High-School-Schüler im Sommer Rohterpentin von den örtlichen Waldbesitzern aufkaufte, die Sumpf- und Elliotskiefern anzapften, um diese Substanz zu gewinnen.
»Terpentin… Das war es also, was ich auf dem Weg hierher gerochen hab.«
Nach der Gründung der Firma vor einigen Jahren hatte Sandra May im Bett neben dem schlafenden Jim gelegen und das ölige Harz gerochen – selbst wenn er vorher geduscht hatte. Der Geruch schien ihn nie zu verlassen. Irgendwann hatte sie sich daran gewöhnt. Manchmal fragte sie sich, wann genau sie aufgehört hatte, das pikante Aroma überhaupt zu bemerken.
Sie fuhr fort: »Dann destillieren wir das Rohterpentin und verarbeiten es zu verschiedenen Produkten. Überwiegend für den medizinischen Markt.«
»Den medizinischen Markt?«, fragte er überrascht. Er zog sein Jackett aus, legte es sorgfältig über den Stuhl neben sich und trank noch etwas Eistee.
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