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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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schaute aus dem Fenster und beobachtete die aufblitzenden Lichter überall in der Stadt. Manchmal schien es, als wären sie ganz in der Nähe, dann wieder weiter entfernt.
    »Wenn ich Sie laufen lasse, werden Sie mich verraten.«
    Wie alle anderen auch. Alle hatten mich betrogen. Mein Vater – obwohl er schon erblindet war, hatte der Saftsack mich verpfiffen. Mein erster Bewährungshelfer, die Richter, Sandra. Mein Boss, der, auf den ich eingestochen habe.
    »Nein, das werde ich nicht«, sagte Weller. »Wir reden hier über eine Abmachung. Ich breche meine Vereinbarungen nicht. Ich habe versprochen, dass ich keiner Menschenseele von Ihnen erzählen werde, Jack. Nicht mal meiner Frau.« Er beugte sich vor, wobei er sein Glas mit beiden Händen umschloss. »Wenn Sie mich gehen lassen, wird für
Sie
alles anders werden. Es wird bedeuten, dass Sie nicht mehr ohne Hoffnung sein werden. Ich garantiere Ihnen, dass Ihr Leben sich ändern wird. Diese eine Tat – mich freizulassen – wird Sie für den Rest Ihres Lebens verändern. Vielleicht nicht gleich in diesem Jahr. Oder in fünf Jahren. Aber Sie werden das Steuer herumreißen. Sie werden all das hinter sich lassen, alles, was in Liggett Falls passiert ist. All die Verbrechen, all das Töten. Sie werden die Kurve kriegen. Ich weiß es.«
    »Und ich soll glauben, dass Sie mit keinem reden werden?«
    »Ah«, sagte Weller und hob seine gefesselten Hände, um einen Schluck Scotch zu trinken. »Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt.«
    Wieder diese Stille, bis ich schließlich fragte: »Und welcher Punkt soll das sein?«
    »Vertrauen.«
    In diesem Moment heulte draußen eine Sirene auf, ganz in der Nähe. Ich befahl ihm, den Mund zu halten, und drückte die Waffe an seinen Kopf. Seine Hände zitterten, aber er machte keine Dummheiten. Ein paar Minuten später setzte ich mich wieder hin, und er fing gleich wieder an zu reden. »Vertrauen. Darüber spreche ich. Ein Mensch, der Vertrauen hat, ist ein Mensch, der gerettet werden kann.«
    »Na, ich hab aber kein gottverdammtes Vertrauen«, erklärte ich.
    Aber er ließ sich nicht irritieren. »Sobald Sie an einen anderen Menschen glauben, haben Sie Vertrauen.«
    »Warum, zum Teufel, interessieren Sie sich dafür, ob ich gerettet werde oder nicht?«
    »Weil das Leben hart ist und die Menschen grausam sind. Ich sagte doch, dass ich Kirchgänger bin. Vieles in der Bibel ist verrückt. Aber manches davon glaube ich. Und zu den Dingen, die ich glaube, gehört es, dass wir ab und zu vor Situationen gestellt werden, die etwas verändern sollen. Ich denke, das ist heute Abend passiert. Das ist der Grund, warum Sie und ich zur gleichen Zeit in diesem Drugstore waren. Sie haben das gespürt, nicht wahr? Wie ein Omen. Wie etwas, das passiert und einem sagt, dass man etwas Bestimmtes tun oder etwas Bestimmtes lassen soll.«
    Das war eigenartig, denn während der ganzen Fahrt nach Liggett Falls hatte ich tatsächlich gedacht, dass irgendwas Merkwürdiges vor sich geht. Ich wusste nicht, was es war, bloß, dass dieser Job irgendwie anders laufen würde.
    »Was«, begann er wieder, »wenn alles heute Abend aus einem ganz bestimmten Grund passiert ist? Meine Frau hatte eine Erkältung, also fuhr ich los, um NyQuil zu besorgen. Ich fuhr zu diesem Drugstore und nicht zum 7-Eleven, wo ich einen oder zwei Dollar gespart hätte. Und zufällig genau in diesem Moment haben Sie den Laden überfallen. Und zufällig hatten Sie Ihren Kumpel«– er nickte zu Toths Leiche hinüber –»bei sich. Der Polizeiwagen kam zufällig genau in diesem Moment vorbei. Und der Angestellte hinter der Theke hat ihn zufällig bemerkt. Das sind eine Menge Zufälle, meinen Sie nicht?«
    Und dann sagte er etwas, das mir einen eiskalten Schauer den Rücken hinunterjagte. »Wir sitzen hier im Schatten dieses riesigen Felsens, dieses Gesichts.«
    Was zu hundert Prozent dem entsprach, was ich auch dachte. Zu
hundert Prozent
– was diesen Wächter angeht, meine ich. Ich weiß nicht, warum ich gerade daran gedacht hatte. Irgendwie hatte ich aus dem Fenster geschaut und genau in diesem Augenblick dasselbe gedacht. Ich schüttete den Scotch hinunter und goss mir einen neuen ein. Oh Mann, ich war verdammt mit den Nerven am Ende.
    »Als ob er uns anschauen und darauf warten würde, dass Sie eine Entscheidung treffen. Oh, und glauben Sie nicht, dass es nur um Sie geht. Vielleicht sollte das Leben von jedem, der dabei war, verändert werden. Dieser Kunde an der Theke, den Ihr Freund

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