Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
erschossen hat, zum Beispiel. Vielleicht war es einfach der Moment, in dem er abtreten sollte – schnell, verstehen Sie, bevor er an Krebs erkrankt oder ihn der Schlag treffen konnte. Vielleicht sollte diese junge Frau, die Angestellte, einen Schuss ins Bein bekommen, damit sie ihr Leben in den Griff bekommt, vielleicht um Drogen oder den Alkohol aufzugeben.«
    »Und Sie? Was ist mit Ihnen?«
    »Also gut, ich will es Ihnen sagen. Vielleicht sind Sie das gute Werk, das ich in
meinem
Leben tun kann. Ich habe Jahre damit verbracht, nur ans Geldverdienen zu denken. Schauen Sie mal in meine Brieftasche. Da, im hinteren Fach.«
    Ich öffnete die Brieftasche und fand ein halben Dutzend kleine Karten, die wie Zertifikate aussahen.
Randall Weller – Verkäufer des Jahres. Zwei Jahre in Folge über seinem Verkaufsziel. Bester Verkäufer 1992.
    »Davon habe ich noch viel mehr in meinem Büro. Und auch Pokale. Und um all das zu bekommen, musste ich Menschen vernachlässigen. Meine Familie und meine Freunde. Menschen, die vielleicht meine Unterstützung gebraucht hätten. Und das ist nicht richtig. Dass Sie mich entführt haben, ist vielleicht ein Signal, das mich dazu bewegen soll, mein Leben zu ändern.«
    Das Eigenartige war, dass seine Worte einen Sinn ergaben. Natürlich konnte ich mir schwer vorstellen, keine Raubüberfälle mehr zu begehen. Und ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass ich bei einem Kampf nicht zu meinem Buck oder zur Smitty greifen würde, um den anderen außer Gefecht zu setzen. Dieses Die-andere-Wange-hinhalten ist eine Sache für Verlierer. Aber vielleicht konnte ich mir
doch
vorstellen, irgendwann einmal ein normales Leben zu führen. Mit einer Frau zusammenzuleben, vielleicht sogar zu heiraten, in einem Haus zu wohnen, und die Frau nicht so zu behandeln, wie ich Sandra behandelt hatte. Das zu tun, was mein Vater und meine Mutter – wie auch immer sie gewesen sein mochte – nie getan hatten.
    »Wenn ich Sie gehen ließe«, warf ich ein, »müssten Sie der Polizei doch irgendwas erzählen.«
    Er zuckte die Schultern. »Ich werde sagen, Sie haben mich in den Kofferraum gesperrt und dann irgendwo hier in der Gegend rausgeworfen. Ich bin losmarschiert, um ein Haus oder so was zu suchen, und habe mich verlaufen. Es könnte einen ganzen Tag dauern, bis ich auf ein Haus stoßen würde. Das ist glaubhaft.«
    »Oder Sie könnten innerhalb einer Stunde ein Auto anhalten.«
    »Das könnte ich. Aber ich würde es nicht tun.«
    »Das sagen Sie immer wieder. Aber woher soll ich
wissen
, ob ich mich darauf verlassen kann?«
    »Das ist genau der Punkt beim Vertrauen. Sie wissen es nicht. Keine Garantie.«
    »Na, ich glaube, ich hab kein Vertrauen.«
    »Dann bin
ich
tot. Und
Ihr
Leben wird sich niemals ändern. Ende der Geschichte.« Er lehnte sich zurück und zuckte die Schultern.
    Wieder dieses Schweigen. Und doch kam es mir vor, als wäre alles um uns herum von Gebrüll erfüllt. »Sie wollen nur… Was wollen Sie?«
    Er trank einen Schluck Scotch. »Hier kommt ein Vorschlag. Lassen Sie mich nach draußen gehen.«
    »Oh, klar. Ich werde Sie ein bisschen frische Luft schnappen lassen, was?«
    »Lassen Sie mich hinausgehen, und ich verspreche Ihnen, dass ich gleich wieder hereinkomme.«
    »Wie eine Art Test?«
    Darüber schien er einen Moment nachzudenken. »Ja. Ein Test.«
    »Was hat das mit dem Vertrauen zu tun, von dem Sie die ganze Zeit reden? Wenn Sie rausgehen und versuchen, loszulaufen, schieße ich Ihnen in den Rücken.«
    »Nein, Sie werden die Waffe irgendwo im Haus deponieren. In der Küche, zum Beispiel. Irgendwo, wo Sie den Revolver nicht schnell genug erreichen können, wenn ich losrenne. Sie stehen am Fenster, so dass wir uns sehen können. Und ich sage Ihnen gleich, dass ich rennen kann wie der Wind. Im College war ich ein ausgezeichneter Leichtathlet, und ich jogge immer noch an 365 Tagen im Jahr.«
    »Ihnen ist klar, dass Blut fließen wird, wenn Sie weglaufen und die Cops herbringen. Die ersten fünf Bullen, die durch diese Tür treten, knalle ich ab. Niemand wird mich davon abhalten, und das Blut wird dann an Ihren Händen kleben.«
    »Natürlich weiß ich das«, sagte er. »Aber wenn das hier funktionieren soll, dürfen Sie nicht so denken. Dass ich weglaufe und die Cops über alles informiere: wo Sie sich aufhalten, dass es hier keine weiteren Geiseln gibt, dass Sie einen oder höchstens zwei Revolver bei sich haben. Die Cops würden reinkommen und Sie wegpusten, ohne dass Sie auch nur

Weitere Kostenlose Bücher