Todesreigen
findet.«
Wenn
man Sie findet, richtig. Ich lachte im Stillen. Oh, was er sagte, ergab schon Sinn, aber Tatsache ist: Leute umbringen gehört nicht zu den Dingen, die Sinn ergeben. Verdammt, es ergibt
nie
einen Sinn, aber manchmal muss man es einfach tun. Aber irgendwie gefiel mir die Sache mittlerweile. Ich wollte auch argumentieren. »Ja, nun, ich hab Toth getötet. Das war nicht in der Hitze des Augenblicks. Dafür werde ich sowieso die Nadel bekommen.«
»Aber niemand schert sich einen Dreck darum«, erwiderte er ohne Zögern. »Denen ist es egal, ob er sich
selbst
umgebracht hat oder von einem Auto überfahren wurde. Dieses Stück Dreck können Sie ruhig aus der Gleichung rauslassen. Es ist denen aber nicht egal, wenn Sie
mich
umbringen. Ich bin der ›unbeteiligte Passant‹ in den Schlagzeilen. Ich bin der ›Vater zweier Kinder‹. Wenn Sie mich umbringen, dann sind Sie selbst so gut wie tot.«
Ich wollte etwas sagen, doch er setzte seinen Monolog fort.
»Und jetzt kommt der nächste Grund, warum ich nichts über Sie verraten werde. Weil Sie nämlich meinen Namen kennen und wissen, wo ich wohne. Sie wissen, dass ich Familie habe und wie viel sie mir bedeutet. Wenn ich Sie verrate, können Sie uns aufspüren. Ich würde meine Familie niemals derart in Gefahr bringen. Lassen Sie mich eine Frage stellen: Was ist das Schlimmste, das Ihnen passieren könnte?«
»Weiter zuzuhören, wie Sie hier quatschen und quatschen.«
Weller lachte über diese Bemerkung. Ich begriff, dass er offensichtlich überrascht von meinem Sinn für Humor war. Nach kurzer Pause fuhr er fort: »Ernsthaft. Was ist das Schlimmste?«
»Ich weiß nicht. Ich hab nie darüber nachgedacht.«
»Ein Bein zu verlieren? Taub zu werden? Alles Geld zu verlieren? Blind zu werden? …Hey, sieht aus, als hätte ich da einen Nerv getroffen. Blind zu werden?«
»Ja, wahrscheinlich. Das wäre das Schlimmste, das ich mir vorstellen kann.«
Das war
wirklich
eine beängstigende Aussicht, über die ich schon oft nachgedacht hatte. Denn genau das war meinem alten Herren passiert. Und es war nicht die Unfähigkeit zu sehen, die mir an die Nieren ging. Nein, es war die Tatsache, dass ich für… verdammt, wegen jeder Kleinigkeit von jemandem abhängig wäre.
»Okay, denken Sie mal darüber nach«, sagte er. »Was für Sie das Erblinden wäre, wäre für meine Familie, wenn Sie mich verlieren würde. Es wäre schrecklich für sie. Sie wollen ihnen diesen Schmerz doch nicht zufügen, oder?«
Das wollte ich nicht, nein. Aber mir war klar, dass ich es tun
musste
. Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken. Deshalb fragte ich: »Und was ist nun der letzte Grund, den Sie mir verraten wollten?«
»Der letzte Grund«, sagte er, beinahe flüsternd. Aber er sprach nicht weiter. Er schaute sich im Zimmer um, als wäre er in Gedanken ganz woanders.
»Und?«, sagte ich. »Reden Sie schon!«
Doch er antwortete bloß: »Glauben Sie, dass diese Leute hier eine Bar haben?«
Gerade in dem Moment hatte ich darüber nachgedacht, dass ich auch einen Drink vertragen könnte. Ich ging in die Küche, aber natürlich hatten sie kein Bier im Kühlschrank, weil das ganze Haus dichtgemacht und der Strom abgestellt worden war. Immerhin hatten sie einen Scotch, und das wäre sowieso meine erste Wahl gewesen.
Ich holte zwei Gläser und nahm die Flasche mit ins Wohnzimmer. Es war eine gute Idee. Wenn die Zeit zum Handeln käme, dann würde es leichter für ihn und leichter für mich sein, wenn wir beide irgendwie betrunken wären. Ich drückte meine Smitty an seinen Hals und zerschnitt das Klebeband, mit dem seine Hände vor dem Körper gefesselt waren. Ich lehnte mich zurück und hielt das Messer griffbereit, für den Fall, dass er etwas Dummes versuchte. Er griff nach der Scotchflasche und wirkte leicht enttäuscht über die billige Marke. Und in dem Punkt musste ich ihm Recht geben. Eine Sache habe ich vor langer Zeit gelernt: Wenn du klaust, dann klau teuer.
Ich setzte mich zurück und behielt ihn im Auge.
»Der letzte Grund. Okay, ich sage es Ihnen. Ich werde Ihnen
beweisen
, dass es besser ist, mich laufen zu lassen.«
»Tatsächlich?«
»All die anderen Gründe, die praktischen, die humanitären… Ich sehe ja ein, dass Ihnen das alles relativ egal sein wird… Sie wirken jedenfalls nicht überzeugt. Stimmt’s? Also konzentrieren wir uns auf den einen Grund, warum Sie mich laufen lassen sollten.«
Ich nahm an, dass noch mehr Blödsinn kommen würde. Doch was er dann
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