Todesreigen
hatte, schlingernd zum Stehen. Es war ein goldbrauner Lincoln.
Lawrence sprang heraus und ließ die Tür offen stehen. Dann rannte er auf die Tür von Zimmer 103 zu.
»Nein, nein! Meine Frau…«
Ein Polizist hielt ihn auf und zog ihn von der Tür fort. Er schluchzte. »Ich bin gekommen, gleich nachdem Sie angerufen haben! Ich kann es nicht glauben! Nein, nein, nein…«
Der Arm des Polizisten legte sich um die Schulter des modischen, marineblauen Trenchcoats und schob den weinenden Mann in Richtung der Detectives, die ihn voller Mitgefühl betrachteten. Der Kahle fragte sanft: »Ihr Name ist Samples?«
»Ja, richtig«, antwortete er und gab sich alle Mühe, gegen seinen Kummer anzukämpfen. »Lawrence Samples.« Atemlos fragte er: »Sie meinen… Sie hat mich betrogen? Meine Frau hat mich betrogen? Und jemand hat sie umgebracht?«
Du musst dafür sorgen, dass es wahrscheinlicher aussieht, dass ein anderer das Verbrechen begangen hat, obwohl du selbst ein Motiv hast…
Und für einen kurzen Augenblick, unbemerkt von den Polizisten, warf Lawrence einen Blick auf Carolyn, einen Blick, den man nur als amüsiert bezeichnen konnte. Als sie ihn daraufhin wütend anzuschreien begann und mit den gefesselten Handgelenken gegen das Fenster des Wagens hämmerte, nahmen seine Augen wieder den Ausdruck der Trauer an. Er bedeckte das Gesicht mit seinen zitternden Händen. »Oh, Lorrie… Lorrie… Ich kann es einfach nicht glauben! Nein, nein, nein…«
Der Überfall
»Ich würde euch ja helfen, wenn ich könnte«, erklärte der Junge. »Aber ich kann nicht.«
»Du kannst nicht, hm?«, fragte Boz, der vor ihm stand und von oben auf seine braune Haartolle hinunterschaute. »
Kannst
nicht? Oder willst nicht?«
Sein Partner Ed sagte: »Ja, er weiß was.«
»Glaub ich auch«, fügte Boz hinzu und legte den Daumen um seinen für 79,99 Dollar erstandenen Polizeischlagstock, echte, schwarz glänzende Importware.
»Auf jeden Fall, Boz. Klar. Also los.«
Noch in der Abenddämmerung herrschte eine Hitze wie in einem Motorblock. Es war August im Shenandoah Valley, und der breite Fluss, der sich vor dem Fenster am Vernehmungszimmer des Sheriffbüros vorbeiwälzte, tat nichts, um die Hitze ein wenig zu mildern. In anderen Städten sorgten solche Temperaturen dafür, dass die Leute durchdrehten und aufeinander losgingen. Aber Caldon, Virginia, ungefähr zehn Meilen entfernt von Luray – ja genau, der Ort mit
der
Höhle –, war ein kleines Kaff mit 8400 Einwohnern. Wenn die Hitze so schlimm war wie jetzt, verzogen sich die Motorradrocker, Teenager und sämtliches Gesindel meist in ihre Bungalows oder Wohnwagen und begnügten sich damit, groggy von Joints oder Budweiser, HBO oder ESPN zu glotzen. (Hier draußen waren Satellitenschüsseln ein ziemlich bemerkenswerter Beitrag zur Verbrechensverhütung.)
Doch heute war alles anders. Die Deputys waren durch den ersten bewaffneten Raubüberfall mit Schusswaffengebrauch seit vier Jahren aus ihrem Dämmerschlaf gerissen worden – einem waschechten Überfall auf einen gepanzerten Transporter. Sheriff Elm Tappin hatte sich widerwillig auf den Rückweg von seinem Angeltrip nach North Carolina begeben, und am späteren Abend sollten sogar FBI-Agenten aus Washington eintreffen.
Was diese beiden allerdings nicht davon abhalten würde, den Fall selbst unter Dach und Fach zu bringen. Sie hatten einen Verdächtigen in der Arrestzelle und hier, direkt vor ihnen, einen Augenzeugen. Auch wenn er sich widerspenstig zeigte.
Ed nahm gegenüber von Nate Spoda Platz. Hinter seinem Rücken nannten sie ihn
Junge
, obwohl er längst kein Junge mehr war. Er war Mitte zwanzig und nur drei Jahre jünger als die beiden Deputys. Alle drei hatten gemeinsam ein Jahr auf der Nathaniel Hawthorne High School verbracht, Nate als Neuling, die beiden anderen im Abschlussjahr. Nate war immer noch dünn wie ein Laternenmast, seine Augen stechend und tief liegend wie die eines Serienmörders. In der Stadt galt er immer noch als Sonderling, genau wie damals auf der High School.
»Also, Nate«, sagte Ed freundlich. »Wir wissen, dass du
irgendwas
gesehen hast.«
»Kommt schon«, antwortete der Junge mit quengelnder Stimme. »Ich hab nichts gesehen. Ehrlich.«
Boz, der fette Polizist, der atemlose Polizist, der schwitzende Polizist, übernahm auf einen Blick seines Partners hin die Befragung. »Das passt einfach nicht zu dem, was wir schon wissen. Du sitzt auf der Veranda vor deinem Haus und verbringst Stunden und
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