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Todesreigen

Titel: Todesreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Sie es waren, die er gesehen hat, oder? Er hatte schon Angst genug,
uns
die Wahrheit zu sagen.«
    »Nein, hören Sie mir zu«, flehte Ed. »Sie verstehen das nicht. Er hat es bloß auf uns abgesehen, weil wir früher in der High School auf ihm herumgehackt haben.«
    Der Agent neben Bigelow kicherte. »Lächerlich.«
    »Bringen Sie die beiden zum Wagen.«
    Die Männer verschwanden, und Bigelow ließ Lester Botts die Handschellen abnehmen. »Sie können jetzt gehen.«
    Der dürre Mann ließ den Blick verächtlich durch den Raum schweifen. Dann ging er hinaus.
    »Kann ich auch gehen?«, fragte Nate.
    »Natürlich können Sie das, Sir.« Bigelow schüttelte ihm die Hand. »Sie hatten sicher einen anstrengenden Tag.«
    Nate Spoda legte eine CD ein und drückte auf die »Play«-Taste.
    Spätabends hörte er meistens Debussy oder Ravel – etwas Beruhigendes. Aber heute spielte er ein Stück von Prokofjew. Es klang ausgelassen und schwungvoll. Und damit passte es zu Nates Stimmung.
    Er hörte den ganzen Tag über klassische Musik, die von Tausend-Dollar-Lautsprechern hinaus auf die Veranda getragen wurde. Nate musste lachen, als er sich daran erinnerte, wie jemand in der Stadt sich über die »satanische« Musik ausgelassen hatte, die er angeblich verehrte. Er war sich nicht ganz sicher, auf welches spezielle Heil-dem-Teufel-Musikstück sich dieser Kommentar eines Getreideverkäufers bezog, doch legte der Zeitpunkt der Äußerung nahe, dass es sich dabei um Rachmaninow handeln musste.
    Tut mir Leid, Leute, Garth war es jedenfalls nicht…
    Er wanderte durchs Haus und löschte die Lichter mit Ausnahme der Lampen, die den Miró und den Jackson Pollock anstrahlten – auch sie passten zu seiner momentanen Stimmung. In Kürze musste er nach Paris. Ein befreundeter Händler hatte zwei kleine Picassos erstanden und Nate versprochen, er dürfe sich als Erster eines davon aussuchen. Außerdem vermisste er Jeanette; seit einem Monat hatte er sie nicht gesehen.
    Er trat hinaus auf seine Veranda.
    Es war beinahe Mitternacht. Er setzte sich in den JFK-Schaukelstuhl seiner Mutter und schaute nach oben. In dieser Jahreszeit war der Himmel über dem Shenandoah Valley in der Regel so diesig, dass man keinen klaren Blick auf die Sterne hatte – in der Gegend scherzte man gern darüber, dass Caldon eigentlich Caldron, Hexenkessel, heißen müsste. Heute allerdings ging das Schwarz der Bäume direkt in die Schwärze des Himmels über, und in der Hemisphäre über ihm glitzerten die Sterne wie eine leuchtende Puderschicht. Er blieb mehrere Minuten in dieser Position sitzen und genoss den Anblick der Sternbilder und des Mondes.
    Die Schritte hörte er, lange bevor er eine Gestalt erkennen konnte, die sich den Pfad herauf näherte.
    »Hey«, rief er.
    »Hey«, rief Lester Botts zurück. Keuchend stieg er die Stufen herauf und ließ vier schwere Segeltuchtaschen auf die grau gestrichene Veranda fallen. Wie jedes Mal setzte er sich nicht auf einen der Stühle, sondern direkt auf den Boden, mit dem Rücken gegen einen Pfosten.
    »Du hast über
Neunzigtausend
dagelassen?«, fragte Nate.
    »Tut mir Leid«, entgegnete Lester mit einem leichten Zucken, respektvoll wie immer, wenn er seinen Boss traf. »Ich hab mich verzählt.«
    Nate lachte. »Wahrscheinlich keine schlechte Idee.« Er hatte kalkuliert, dass Boz und Ed den Köder schlucken würden, sobald sie dreißig- oder vierzigtausend Dollar in der Höhle und im Fluchtwagen versteckten. Wenn man einen Mann mit dem Doppelten seines Jahresgehalts lockt, steuerfrei, dann beißt er in neun von zehn Fällen an. Doch bei einem Job in dieser Größenordnung war ein kleiner Extraköder wahrscheinlich eine gute Idee.
    Für Nate und Lester blieb immer noch ein Reingewinn von beinahe vierhunderttausend Dollar.
    »Wir müssen eine Weile darauf sitzen bleiben, oder? Obwohl es Bargeld ist?«, fragte Lester.
    »In diesem Fall ist es besser, wirklich vorsichtig zu sein«, erklärte Nate. Sie operierten grundsätzlich nie in Virginia. Normalerweise reisten sie für ihre Raubzüge nach New York, Kalifornien oder Florida. Als Nate allerdings von einem Komplizen in D.C. erfahren hatte, dass die dortige Armored-Courier-Filiale eine große Summe Bargeld zu einer neuen Bank in Luray transportieren würde, hatte er nicht widerstehen können. Nate war klar gewesen, dass es sich bei den Kurieren um Leichtgewichte handeln würde, die wahrscheinlich nie etwas anderes als Lohngelder an den Zahltagen der einheimischen Fabriken

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