Todesreigen
transportiert hatten. Natürlich war das Geld ein Anreiz gewesen. Doch was schließlich den Ausschlag gegeben hatte, war die Überlegung, dass sie zwei ahnungslose Komplizen bräuchten, um den Coup wasserdicht zu machen. Am besten Polizisten. Er hatte keinen Moment gezweifelt, wen er für diese Rollen auswählen wollte; jugendlicher Groll hielt sich so hartnäckig wie der Zorn verschmähter Liebhaber.
»
Musstest
du auf ihn schießen?«, fragte Nate. Er meinte den Kurier. Eine seiner Regeln bestand darin, von Schusswaffen nur im äußersten Notfall Gebrauch zu machen.
»Er war noch ein Junge. Sah aus, als würde er jeden Moment nach der Glock an seiner Hüfte greifen. Ich war vorsichtig, hab nur eine oder zwei Rippen erwischt.«
Nate nickte, die Augen zum Himmel gerichtet. Er hoffte auf eine Sternschnuppe, konnte aber keine entdecken.
»Hast du Mitleid mit ihnen?«, fragte Lester kurz darauf.
»Mit wem, mit den Kurieren?«
»Nee, mit Ed und Boz.«
Nate überlegte einen Augenblick. Die Musik, die duftende Spätsommerluft und die rhythmische Sinfonie der Insekten und Frösche brachten ihn in eine philosophische Stimmung. »Ich muss an etwas denken, das Boz gesagt hat. Dass ich nicht auf Augenhöhe mit ihm und Ed wäre. Er sprach von dem Überfall, aber worum es eigentlich ging, war mein Leben und ihre Leben – ob er das nun wusste oder nicht.«
»Höchstwahrscheinlich nicht.«
»Aber es ergibt schon einen Sinn«, fuhr er fort. »Es bringt die ganze Sache ziemlich genau auf den Punkt. Der Unterschied zwischen uns… Ich hätte damit leben können, wenn diese Jungs sich einfach um ihre eigenen Dinge gekümmert hätten, in der Schule und auch später. Aber das haben sie nicht getan. Nein. Sie haben mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit Probleme gemacht. Schade. Aber sie haben es so gewollt.«
»Na, gut für uns, dass ihr
nicht
auf Augenhöhe wart«, sagte Lester, jetzt ebenfalls nachdenklich. »Auf die Unterschiede!«
»Auf die Unterschiede!«
Die Männer stießen mit ihren Bierdosen an und tranken.
Dann beugte Nate sich vor und begann, das Geld auf zwei gleiche Stapel zu verteilen.
»Dreieck«
»Vielleicht fahre ich nach Baltimore.«
»Du meinst…« Sie blickte zu ihm hinüber.
»Nächstes Wochenende. Wenn du die Party für Christies Geburtstag gibst.«
»Und du willst…«
»…Doug besuchen«, entgegnete er.
»Wirklich?« Mo Anderson musterte gründlich ihre Fingernägel, die sie gerade mit einem leuchtenden Rot bemalte. Er mochte die Farbe nicht, behielt seine Meinung aber für sich. Sie fuhr fort: »Ein ganzer Haufen Frauen hier – wie langweilig. Du wirst in Maryland sicher viel Spaß haben. Es wird dir gefallen.«
»Das glaube ich auch«, sagte Pete Anderson. Er saß Mo gegenüber auf der Veranda ihres mit versetzten Etagen ausgestatteten Hauses in einer kleinbürgerlichen Gegend im Westchester County. Es war Juni, und in der Luft lag der intensive Duft des Jasmins, den Mo zu Beginn des Frühjahrs gepflanzt hatte. Früher hatte Pete den Duft gern gehabt. Jetzt allerdings drehte sich ihm der Magen davon um.
Mo inspizierte ihre Fingernägel auf Ungleichmäßigkeiten und tat so, als langweile sie seine Idee eines Treffens mit Doug. Er war ihr Boss, ein »wichtiger« Mann, der für die gesamte Ostküste verantwortlich war. Er hatte Mo und Pete zusammen in sein Landhaus eingeladen, allerdings hatte sie bereits eine Hochzeitsparty für ihre Nichte geplant. Daraufhin hatte Doug Pete gefragt: »Gut, warum kommst du nicht einfach solo vorbei?« Pete hatte entgegnet, er würde es sich überlegen.
Oh, natürlich, sie
schien
gelangweilt von dem Gedanken, dass er allein fahren würde; aber Pete war klar, dass sie in Wirklichkeit ziemlich aufgeregt war, und er wusste auch, warum. Doch er begnügte sich damit, die Glühwürmchen zu betrachten und den Mund zu halten. Er spielte den Dummen. Im Gegensatz zu Mo war
er
ein guter Schauspieler.
Schweigend nippten sie an ihren Drinks, deren Eiswürfel dumpf in den Plastikgläsern klirrten. Es war der erste Sommerabend, und ihr Vorgarten schien mit Tausenden von Glühwürmchen bevölkert.
»Ich weiß, dass ich versprochen habe, die Garage aufzuräumen«, sagte er mit einem kaum merklichen Zucken. »Aber…«
»Nein, das kann warten. Ich finde, es ist eine prima Idee, ihn zu besuchen.«
Ich
weiß
, dass du es
prima
findest, dachte Pete, sprach es aber nicht aus. In letzter Zeit hatte er viele seiner Gedanken nicht ausgesprochen.
Pete schwitzte – mehr vor
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