Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
Reiser.
„Nein, bis jetzt leider nicht. Der Regen hat ganze Arbeit geleistet. Da seine Kleidung nicht nur an der Hose, sondern überall Dreck aufweist, können wir eine Fremdeinwirkung nicht ganz ausschließen.“
„Also Mord, kein Selbstmord?“
„Sieht ganz so aus. Es kann allerdings auch sein, dass der Kampf stattfand, um ihn vom Selbstmord abzubringen. Macht nur nicht viel Sinn. Erst versuchst du ihn abzuhalten und dann verpisst du dich doch noch? Wie du siehst, wir haben noch viel Arbeit vor uns.“
„Ja, ja“, knurrte Reiser, „wenn ihr etwas findet, sagt mir Bescheid. Ist die Rechtsmedizin eigentlich schon da?“
„Nee, die werden unterwegs sein.“
„Und weißt du, wen sie schicken?“
„Willst du jemanden bestimmtes, Rio?“, fragte ein Beamter mit einem unterdrückten Lächeln.
„Sehr witzig, Jungs, und lasst das gefälligst!“
Mittlerweile wussten alle im Kommissariat 1 um Reisers unerwiderte Zuneigung zur Rechtsmedizinerin Dr. Maike Gottburg. Einige Male hatte er sie gefragt, ob sie mit ihm ausgehen würde. Sie hatte stets irgendwelche fadenscheinigen Ausreden parat: zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf, kranker Vater. Irgendetwas war immer und nach mehreren Versuchen hatte er es ganz aufgegeben. Und trotzdem glaubte er, dass sie ihn mochte, und er begriff nicht, warum sie ihn abwies. Vielleicht sollte ich sie einfach einmal direkt darauf ansprechen , überlegte Reiser, als er ihr Auto erkannte, das langsam den Waldweg heruntergefahren kam.
Als sie aus dem Wagen stieg, schlug sein Herz ein wenig schneller und er fragte sich schon zum hundertsten Mal, wieso er sich wie ein kleiner Junge fühlte, wenn er sie erblickte. Okay, sie war hübsch. Dennoch so etwas Besonderes nun auch wieder nicht, vielleicht sogar ein bisschen pummelig. Er konnte Bohnenstangen sowieso nicht leiden, dachte er und beobachtete Maike aus sicherer Entfernung, wie sie ihre Regenjacke auszog, ihr langes braunes Haar zu einem Pferdeschwanz band, den weißen Plastikanzug mit Kapuze und die Überzüge für die Schuhe überstülpte und sich in Richtung Absperrung und Zelt bewegte. Sobald sie ihn erblickte, hob sie kurz ihren Arm zum Gruß und verschwand im Zelt.
Für ein ausführliches Begrüßungsgeplänkel hatte sie keine Zeit übrig. Reiser dagegen, der im Grunde genommen keine Spur anders und anfänglich Fremden gegenüber äußerst mundfaul war, fühlte sich irgendwie übergangen.
Er wusste, dass er sie jetzt erst einmal nicht stören durfte und musste mit seinen Fragen bezüglich Todeszeit und Ursache warten, bis sie fertig war. Das konnte in der Regel mehrere Stunden dauern. Trotz alledem ging er, nachdem auch er sich mühsam einen Anzug übergezogen hatte, zum Zelt, um sich ein Bild zu machen.
„Ich will ihn mir nur kurz anschauen.“ Reiser hob abwehrend die Hände, bevor Maike überhaupt irgendetwas sagen konnte. „Keine Fragen, ich weiß.“
Große grüne Augen in einem sommersprossigen Gesicht blickten ihn an und sie antwortete mit einem Lächeln in der Stimme:
„Hallo Reiser, du kannst ruhig bleiben, wenn du möchtest. Leitest du den Fall hier? Und wo ist Simon?“
Er konnte sein Glück nicht fassen. Dieses wunderbare Geschöpf sprach mit ihm und sie hatte ihn angelächelt. Reiser verschlug es kurzzeitig die Sprache. Doch dann erkannte er schmerzhaft, dass sie eigentlich keine Antworten auf ihre Fragen erwartete, denn sie widmete sich wieder konzentriert ihrer Arbeit.
Ein Beamter der Spurensicherung half ihr, den toten Jungen vollständig zu entkleiden. Reiser kannte diese notwendige Prozedur, um eventuelle Wunden oder irgendwelche anderen Auffälligkeiten zu entdecken.
Der schmächtige Körper des Jungen lag ausgestreckt auf einer Plane, die Strangulationsmarke am Hals war deutlich erkennbar, seine Augen in dem bleichen Gesicht waren geschlossen und sein langes dunkles Haar war nass und vollkommen verdreckt. Seine Nase, die ungewöhnlich groß im Gesicht wirkte, war blutverkrustet.
Es fiel Reiser immer noch schwer, solch einen Anblick zu ertragen. Er würde sich nie daran gewöhnen und der Gedanke an den qualvollen Tod, den dieser junge Mann erleiden musste, erfüllte ihn mit Trauer und Wut. Egal, ob es Selbstmord oder Mord war, beschissen war es alle Male, entschied Reiser und wandte sich ab.
„Eins kann ich auf jeden Fall schon einmal ausschließen.“ Maikes Stimme unterbrach seine Gedanken und er drehte sich erneut zu ihr hin. „Das war kein Selbstmord, eindeutig erdrosselt.“
„Was
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