Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
er sich vor Annabell und erwartete jeden Moment einen Angriff. Er wunderte sich selbst ein wenig über seinen Mumm.
Rainer stand direkt vor ihm. Er schwitzte. Julian konnte es riechen.
Als der erwartete Schlag ausblieb und Rainer stattdessen laut zu lachen anfing, erschreckte das die beiden weit mehr als die zu erwarteten körperlichen Schmerzen.
Grausamkeit und Härte lag in diesem Lachen.
„Wie du willst, Püppchen. Wenn du das mal nicht bereust.“ Rainer drängte sie den Gang entlang Richtung Hintertür. Diese stand, gehalten durch einen Karton, weit offen, sodass sie nicht zufallen konnte.
„Setzt euch hier auf den Boden und keinen Mucks, sonst knallt es.“
Sie setzten sich nebeneinander an die Wand gelehnt, die Knie fest an ihre Körper gezogen, und er bezog ihnen gegenüber Stellung, um sie nicht aus den Augen zu lassen. Der Unbekannte trat von außen durch die Tür, das Handy am Ohr. Er reichte es Julian.
„Hier, dein Daddy. Sprich mit ihm. Sag, dass es euch gut geht.“
„Hi, Dad.“ Der Mann ließ ihm wenig Zeit. Nach wenigen Sätzen entriss er ihm das Telefon und ging wieder nach draußen. Rainer folgte ihm, ließ aber die Tür offen, damit er sie weiter im Blick hatte.
„Was sollen wir mit denen machen?“, fragte er und schaute ungehalten in ihre Richtung.
„Ist doch wohl logisch, Rainer. Wir brauchen Geiseln oder meinst du etwa, die lassen uns sonst hier mir nichts, dir nichts herausspazieren. Da draußen wimmelt es nur so von Bullen.“
Sie nehmen uns als Schutzschild , dachte Julian. Er wusste, wie schwer der Zugriff für die Polizei in diesem Falle war und dass „eine Rundreise“, wie es in der Polizeisprache hieß, unter allen Umständen vermieden werden sollte. Die Überwältigung des Täters bei einer Geiselnahme sollte stets „am ersten Ort des Geschehens“ erfolgen.
Heißt das, sie bereiten sich da draußen schon vor? Und wenn, was konnte er hier vor Ort tun, um ihnen zu helfen?
„Ich will das Mädchen aber loswerden“, hörten sie den Mann sagen und bei diesen Worten spürte Julian förmlich die Angst durch Annabells Körper jagen.
„Sie ist eine Nervensäge und könnte uns gefährlich werden. Den Jungen nehmen wir mit, scheint vernünftig zu sein. Außerdem ist er Daddys Liebling, da überlegen sich die Herren dort draußen zweimal, ob sie auf uns ballern.“
Beide Männer traten zurück in den Gang. Der Mann mit der Pistole stand vor Annabell und bückte sich zu ihr hinunter.
„Steh auf“, sagte er leise, doch Annabell rührte sich nicht von der Stelle, sondern verschränkte ihre Arme schützend um ihren Kopf. „Steh auf, ich sag es nicht noch einmal!“
Annabell schüttelte den Kopf.
„Bitte erschießen Sie mich nicht“, bettelte sie, als der Mann sie unsanft nach oben zog. Pure Angst schrie aus ihrem Körper. Wieder wollte Julian eingreifen, doch der Blick in die Mündung der Pistole ließ ihn erstarren.
„Komm mit!“ Er hielt Annabell die Pistole direkt an den Hals und sie stolperte wimmernd vor ihm durch die Hintertür. „Du bleibst bei dem Jungen, Rainer.“
Julian schaute ihnen verstört nach. Erst als die beiden aus seinem Blickfeld verschwunden waren, erkannte er, dass die Sonne aufgegangen war.
„ V ersprechen Sie mir, dass Sie mich da rausholen!“ Der Unterton der Verzweiflung in Viktoria Steins Stimme war nicht zu überhören.
Es war hell geworden, die Sonne erschien als roter, feuriger Ball ganz langsam am Horizont und es versprach, ein weiterer heißer Tag zu werden. Jetzt, in diesem Licht, war es Simon erst möglich, Viktoria genauer zu betrachten. Sie war eine schöne Frau mit blonden, zu einem Bob geschnittenen Haaren. Unwillkürlich verglich er sie mit Catherine. Auch sie war eine Schönheit, aber das komplette Gegenteil zu Viktoria Stein. Catherine war zart und klein mit rotblonden Locken, die immer ein wenig zerzaust ausschauten. Viktoria dagegen war groß und schlank, perfekt gestylt und geschminkt zu jeder Gelegenheit. Ihre Erscheinung strahlte eine unaufdringliche Eleganz aus und er konnte die Männer gut verstehen, die sich von ihr angezogen fühlten. Unter anderen Umständen hätte sie ihm ebenfalls durchaus gefallen können.
„Wir werden einen GPS-Peilsender an Ihrer Wade unter Ihrer Jeans befestigen, dann wissen wir immer, wo Sie sich gerade befinden. Es ist der kleinste Tracker, den es gibt, aber ich bin froh, dass Sie sich heute früh nicht für eine Röhrenjeans entschieden haben.“ Dabei lächelte er sie
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