Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
reden.“
„Hi Dad?“ Die Stimme seines Sohnes hallte in seinem Ohr. Verzweiflung und Wut machten sich in ihm breit.
„Julian, geht es dir gut?“
„Es tut mir leid“, sagte Julian, anstatt zu antworten. „Es tut mir leid, dass ich dich in solch eine Lage bringe. Mir geht es gut, Annabell ist verletzt. Im Gesicht. Sie blutet.“
Die Stimme seines Sohnes brach ab. Die Verbindung war unterbrochen. Zitternd hielt er das Telefon in der Hand und wählte Reisers Nummer.
„Simon, verdammt, was ist los?“, hörte er ihn brüllen.
„Sie haben Julian als Geisel genommen. Und Annabell Stein.“ Abgehackt sprudelten die Worte aus ihm heraus. „Reiser, hör mir zu! Sie werden gleich abfahren. Es sind zwei Männer. Ich denke, Rainer Hoffstedt ist einer von ihnen und dann gibt es noch einen zweiten Mann. Er heißt Lorenzo Greco. So hieß er früher einmal, er nennt sich bestimmt jetzt anders, denn eigentlich ist er tot. Aber das ist eine lange Geschichte“, brach er ab.
„Simon, ich versteh nur Bahnhof, beruhige dich jetzt erst einmal.“ Reisers Stimme klang beschwichtigend.
„Okay, okay, ich gebe dir die Kurzfassung. Es eilt. Julian und Annabell sind im Fitness-Studio eingebrochen, dabei wurden sie von zwei Männern überrascht. Sie haben sie als Geisel genommen, als sie bemerkt haben, dass wir hier sind. Wahrscheinlich hat Lorenzo gesehen, dass Julian mich angerufen hat. Auf jeden Fall räumen sie irgendwelche Kartons aus dem Studio in einen Kombi. Ich gehe davon aus, dass es sich um die Drogen handelt. Julian sprach auch davon. Dann wollen sie mit Julian und Annabell abhauen. Er hat eine Knarre, Reiser.“
„Scheiße“, sagte Reiser. Mehr schien ihm dazu momentan nicht einzufallen. Er wirkte sprachlos.
„Ich kann ihnen nicht von Anfang an folgen. Das würden sie sofort bemerken. Du musst sie am Ende der Straße abfangen und hinter ihnen herfahren. Wir dürfen sie nicht aus den Augen verlieren, Reiser.“ Simon blickte erneut durch sein Fernglas, konnte jedoch niemanden an der Hintertür erkennen. „Bist du in der Nähe? Ach und noch etwas. Lorenzo, er verlangt nach Viktoria Stein. Keine Ahnung, was das soll, aber dadurch haben wir noch etwas Zeit gewonnen.“
Er hörte Reiser tief durchatmen.
„Ich bin ganz in deiner Nähe. Phillip Richter wurde auf einem Parkplatz vor dem Bürgerzentrum von einem Auto schwer verletzt. Er ist auf dem Weg ins Krankenhaus. Wir gehen von einem versuchten Mordanschlag aus.“
„Phillip Richter? Den hab ich doch noch auf der Bürgerversammlung gesehen. Hat sich bis in den späten Abend hingezogen. Er ist bis zum Schluss geblieben. Viele haben noch das Gewitter abgewartet, aber Hubert Stein hat, das konnte ich beobachten, kurz nach Beginn der Veranstaltung den Saal wieder verlassen. Er machte einen recht ärgerlichen Eindruck auf mich. Verdammt, Reiser, das muss jetzt warten. Wir müssen erst Jule da rausholen.“
Er wusste, dass Reiser ihm Recht geben würde. Alles andere konnte warten.
„Simon.“ Reiser holte tief Luft. „Wir können sie nicht fahren lassen, nicht wahr?“
Sekundenlange Stille folgte, bevor Simon mit leiser Stimme antwortete:
„Ich weiß.“
V iktoria Stein kam nicht in Begleitung ihres Mannes. Ein Streifenpolizist hatte sie zuhause von der Geiselnahme ihrer Tochter in Kenntnis gesetzt und ihr mitgeteilt, dass der Geiselnehmer allem Anschein nach ein Bekannter von ihr wäre und ihre Anwesenheit wünsche. Völlig entsetzt stieg Viktoria um fünf Uhr morgens in einen Streifenwagen und ließ sich zur der Stelle, an der Simon nun schon seit Stunden hockte, bringen. Sie sprach kein Wort während der Fahrt, sondern starrte hinaus in die aufgehende Sonne. Ihre Gedanken ließen keinerlei Gefühle zu. Sie hatte darauf verzichtet, Hubert in Kenntnis zu setzen. Es hätte ihn höchstwahrscheinlich sehr erbost, hätte sie ihn aus dem Schlaf gerissen. Sie wusste, dass er erst kurz nach vier nach Hause gekommen war, obwohl sie sich nicht im ehelichen Schlafzimmer, sondern im Gästezimmer schlafen gelegt hatte. Das machte sie schon seit Monaten so, Beschwerden seinerseits gab es keine.
Viktoria wurde aus ihren Grübeleien gerissen, als der Streifenwagen anhielt und einer der Polizisten ihr den Weg wies. Sie blickte hinüber zu dem langgezogenen Gebäude, in dem ihre Tochter als Geisel gefangen war. Ein hochgewachsener Mann kam auf sie zu und begrüßte sie.
Ein äußerst gut aussehender Mann , dachte sie und lächelte ihn instinktiv an. Er erwiderte das
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