Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
Programm aufgetischt habt, deshalb hör mir gut zu, wenn du nicht willst, dass es deinen Sohn erwischt. Mein Kumpel fährt unser Auto genau bis zur Mitte des Weges, der zum Parkplatz führt. Bis zu dieser Stelle geht Viktoria zu Fuß, ganz langsam und mit ein wenig Kleingeld, sagen wir 250.000. Aber bitte in kleinen Scheinen. Das wäre für euch doch erschwinglich, nicht wahr? Annabell sitzt vorne auf dem Beifahrersitz. Ich befinde mich mit deinem Sohn hinten. Und Simon, er hat die ganze Zeit die Knarre am Hals, also macht keine Dummheiten.“ Simon wusste, dass er es ernst meinte. Ihm fiel nichts ein, was er hätte sagen können. „Sobald unser Fahrzeug hält, wird Annabell das Auto verlassen und Viktoria wird einsteigen. Allerdings auch zu mir nach hinten. Also gleichzeitig. Das ist wichtig. Verstanden?“
„Ja, verstanden, aber das Geld müssen wir erst noch auftreiben.“
„Für solche Fälle gibt es immer ein Depot, Sir Simon. Lasst euch nicht zu viel Zeit, sonst überleg ich mir das mit Annabell noch. Ich könnte sie genauso gut erschießen, das weißt du doch.“
„Ja, das weiß ich, Lorenzo, obwohl ich es nicht verstehe. Es sind unschuldige Kinder. Julian und Annabell.“
„Wenn du das machst, was ich dir sage, wird deinem Jungen nichts passieren. Nach dem Austausch werden wir ganz langsam den Parkplatz verlassen. Und Simon, niemand, absolut niemand wird uns folgen. Klar?“
„Klar!“ Die Wut, die Simon unterdrücken musste, brodelte tief in ihm, eine Wut, die er nur schwer kontrollieren konnte. Er atmete tief durch und mahnte sich zur Ruhe.
„Zur gegebenen Zeit werde ich deinen Sohn freilassen. Viktoria behalte ich. Denn sie ist mein, sie gehört mir ganz allein.“
Mein Gott, er reimt , dachte Simon. Hat er wirklich all diese Menschen auf dem Gewissen?
„Ich hör von dir, Sir.“ Die Verbindung war unterbrochen. Reiser schaute ihn erwartungsvoll an.
Simon brachte kaum ein Wort zustande, so erschöpft war er. Mit kurzen Sätzen erklärte er Reiser, was zu tun war und gemeinsam versuchten sie zu begreifen, was in ihrem Ort eigentlich passierte. Sie waren sich einig. Das Böse hatte sich über ihre Stadt gelegt.
„ S perren Sie das Gelände weitläufig ab. Ich will nicht, dass hier irgendwelche Idioten rumlaufen. Und wer zum Teufel hat die Presse informiert? Das darf doch wohl nicht wahr sein!“
Reiser blickte zornig auf den Pulk der Journalisten und Fotografen, die wie die Geier auf ihre Story warteten.
„He, Rio!“, rief einer der Schreiberlinge, den er von früheren Einsätzen her kannte und auf den Tod nicht ausstehen konnte, ihm zu. „Was geht hier vor sich? Reiser, kannst du bestätigen, dass es sich hier um eine Geiselnahme handelt?“
„Verschwindet!“ Aufgebracht drehte ihnen Reiser den Rücken zu. „Ihr behindert die Polizeiarbeit.“ Er war drauf und dran, ihnen den Mittelfinger zu zeigen, besann sich aber eines Besseren.
„Wie immer, die Freundlichkeit in Person. Aber wir haben alle Zeit der Welt und werden hier geduldig auf dich warten, Rio. War auch nett, dich wiederzusehen.“ Ironie lag in dessen Worten.
Reiser verabscheute die Presseleute, obwohl er natürlich wusste, dass auch sie nur ihren Job machten. Es gab solche und solche. Die hier waren von der übelsten Sorte und würden für eine Story über Leichen gehen. Ethisch-moralische Bedenken wurden meist zugunsten einer spektakulären Berichterstattung beiseitegeschoben. Das einzige, was er jedoch tun konnte, war, sie auf Abstand zu halten.
Es waren nur noch wenige Minuten bis zum geplanten Austausch. Jeder Beamte hier vor Ort war aufs höchste konzentriert, jeder von ihnen instruiert, auf keinen Fall ohne weiteren Befehl einzugreifen, um das Leben der Geiseln nicht zu gefährden. Das Erschreckende war jedoch, dass sie keinen Plan hatten, wie es nach dem Austausch weitergehen sollte. Mithilfe des Senders war es ihnen zwar möglich, den Aufenthalt der Geiselnehmer und Geiseln zu lokalisieren, aber die Verfolgung würde sich als äußerst schwierig gestalten. Eine Entdeckung seitens der Entführer könnte fatale Folgen haben. Reiser stöhnte. Simon hatte auf seinen Vorschlag, direkt während des Austausches den finalen Todesschuss anzuwenden, recht aggressiv reagiert. „Schießt der Schütze daneben“, hatte er gesagt, „ist mein Sohn tot. Kannst du das verantworten, Reiser?“ Es wäre ihm bedeutend lieber, wenn Simon aufgrund Befangenheit das Kommando in seine Hand abgeben würde. Doch das würde nie
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