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Todesrennen

Todesrennen

Titel: Todesrennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cussler
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kam. Mit tiefen Feuerkammern, überhitzten Kesseln und acht Antriebsrädern zog die mächtige Mikado gewöhnlich endlose Ketten von Güterwagen mit sechzig Meilen pro Stunde durchs Land. Diese jedoch hatte nur einen einzigen schwarzen Salonwagen im Schlepptau, den sie direkt vor einer Viehrampe abstellte, die geradewegs in das Gebäude führte.
    »Lieber Himmel«, flüsterte Preston Whiteway, »das ist Mutter.«
    Aus dem Salonwagen, von Kopf bis Fuß in schwarze Seide gehüllt und mit Rabenfedern gekrönt, stieg die Witwe Whiteway.
    Der Zeitungsverleger wandte sich Hilfe suchend an den Chefermittler der Van Dorn Agency. »Ich dachte, sie ist in Frankreich«, flüsterte er. »Bell, Sie sind mein Trauzeuge. Ihr Job ist es, irgendetwas zu tun. Bitte. «
    Der hochgewachsene blonde Detektiv straffte die Schultern und schlenderte zur Viehrampe hinüber. Als Abkömmling einer alten Bostoner Bankiersfamilie, internatserfahren und ausgebildet in Yale, war Isaac Bell die Tradition vertraut, dass Trauzeugen als Retter in der letzten Not einzuspringen hatten, sei es beim Auffinden von verloren gegangenen Trauringen oder der Besänftigung betrunkener ehemaliger Verlobter. Aber dies hier ging weit über seinen Horizont! Es schien ihm, als wäre er ein texanischer Cowboy, der gebeten wurde, ein Nashorn einzufangen.
    Er streckte die Hand aus und verneigte sich in vollendeter Form.
    »Endlich«, begrüßte er die eigentlich ungebetene Mutter des Bräutigams, »kann die Zeremonie beginnen.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ich heiße Isaac Bell, bin Prestons Trauzeuge und ein treuer Leser Ihrer Kolumnen in den Sonntagsbeilagen.«
    »Wenn Sie sie wirklich gelesen haben, dann wissen Sie ja, dass ich Scheidungen nicht ausstehen kann.«
    »Das kann Josephine auch nicht. Wäre ihre unglückliche Ehe nicht ordnungsgemäß annulliert worden, würde sie ganz gewiss nicht mehr heiraten. Da ist sie auch schon.« Josephine kam mit eiligen Schritten und einem freundlichen Lächeln vom Altar herüber.
    Mrs. Whiteway murmelte: »Sie ist mutiger als mein Sohn. Sehen Sie nur, er fürchtet sich vor seiner eigenen Mutter.«
    »Er ist vollkommen überwältigt, Madam. Er dachte, Sie seien in Frankreich.«
    »Er hat gehofft, dass ich in Frankreich bin. Was halten Sie von dieser jungen Frau, Mr. Bell?«
    »Ich bewundere ihren Schneid.«
    Josephine näherte sich weiter, einen warmen Glanz in den Augen, die Hände ausgestreckt. »Ich bin ja so froh, dass Sie es doch noch geschafft haben, Mrs. Whiteway. Meine eigene Mutter konnte nicht kommen, und ich habe mich bis jetzt sehr einsam gefühlt.«
    Mrs. Whiteway betrachtete Josephine von oben bis unten. »Sie sind nicht gerade eine graue Maus«, stellte sie fest. »Recht hübsch, aber keine Schönheit, Gott sei Dank. Schönheit verdirbt eine Frau, verdreht ihr den Kopf … Wer ist diese Frau dort im Brautjungferkleid, die die Männer dort anweist, Kameras auf mich zu richten?«
    »Meine Verlobte«, sagte Bell, der sich bereits unauffällig aus dem Bild gestohlen hatte, »Miss Marion Morgan.«
    »Nun, es mag Ausnahmen hinsichtlich dessen geben, was ich über schöne Frauen gesagt habe«, erklärte Mrs. Whiteway widerstrebend. »Junge Dame, lieben Sie meinen Sohn?«
    Die Aviatrice blickte der älteren Frau in die Augen. »Ich mag ihn, ja.«
    »Weshalb?«
    »Er sorgt dafür, dass etwas getan wird.«
    »Das ist die eine gute Eigenschaft, die er von meinem Ehemann geerbt hat.« Die Matrone ergriff Josephines Hand und sagte: »Sehen wir zu, dass es endlich weitergeht.« Dann geleitete sie die Braut zum Altar zurück.
    Mrs. Whiteway erhielt einen Sitzplatz in der vordersten Kirchenbank, und der Vertreter des Bischofs setzte zum dritten Mal an: »Wir haben uns alle heute hier versammelt …«, als im Oberlicht über Josephine und Preston ein stahlgrünes Leuchten am Himmel erschien.
    »Windhose!«, riefen die Leute, die in der texanischen Prärie lebten und wussten, dass die seltsame Himmelsfarbe einen Tornado ankündigte.
    Die Einwohner von Fort Worth flüchteten sogleich in Sturmkeller und nahmen so viele Gäste mit, wie sich zusätzlich hineinzwängen konnten. Besucher, die in Privatzügen angereist waren, zogen sich in ihre unsicheren Schutzräume zurück. Diejenigen, die weder in Kellern noch in Eisenbahnzügen Platz fanden, entschieden sich für Saloons.
    Die Tornados tobten bis nach Einbruch der Dunkelheit weiter, lärmten wie führerlos dahinrasende Güterzüge und wirbelten Rinder und Schlafhäuser durch die Luft.

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