Todesrennen
an senkrechten Pfosten, die aus dem Boden ragten, festgebunden.
Zwei Männer befanden sich bei den Kühen. Einer saß an einem Tisch, auf dem mehrere Rinderhörner lagen. Der andere nahm von einem der angebundenen Tiere ein Horn ab, indem er es mit den Händen drehte und von einem Gewinde abschraubte, das in die Basis des Horns eingesetzt worden war. Rod Sweets, der Mann am Tisch, erkannte Harry Frost auf Grund seines Bartes nicht. Er zückte eine Taschenpistole.
»Lass es bleiben«, sagte Frost. »Ich bin’s.«
Sweets starrte ihn entgeistert an. »Nicht zu fassen.«
»Dann solltest du lieber die Knarre wegstecken, ehe du noch jemanden verletzt.«
Sweets verstaute die Waffe schnell wieder in seiner Weste. »Jetzt sagen Sie bloß, dass Sie Appetit auf Stoff haben.«
Die Rinderhörner – in Mexiko abgesägt, ausgehöhlt und mit Gewinden versehen – waren mit Opium aus Hongkong gefüllt worden, ehe sie wieder aufgeschraubt wurden. Sweets schmuggelte auf diese Art und Weise hunderte Pfund Rohopium nach New York und herrschte über ein riesiges Herstellungs- und Verteilernetz, das Tausende von Apothekern und Ärzten mit Morphium versorgte. Um ein solches Unternehmen zu schützen, war eine ganze Armee von Helfern notwendig.
»Ich will keinen Stoff«, sagte Frost. »Ich muss ein paar Leute anheuern.«
Rod Sweets’ Männern war es gleichgültig, dass er Josephine hasste, weil sie ihn betrogen hatte, oder dass er auf Preston Whiteway das Messer geschliffen hatte, weil dieser ihr den Hof machte. Sie interessierten sich nur für Geld. Und davon hatte er eine Menge.
Schnell wurde sich Frost mit Sweets einig. Dann begab er sich eilends zum Red Hook, einem Saloon, wo die Brüder George und Peter Jonas gewöhnlich anzutreffen waren. Sie waren darauf spezialisiert, die Bremsen und die Benzintanks von Zeitungslieferwagen zu manipulieren. Auch diesmal brauchte er nur mit seinem Geld zu winken, und schon überschlugen sich die Saboteure geradezu, ihn davon zu überzeugen, dass eine Flugmaschine aus dem Verkehr zu ziehen sogar noch einfacher war als einen Motorlastwagen.
»Der Schwachpunkt sind die Drähte, die diese Apparate zusammenhalten«, sagte Peter, und George brachte den Gedanken seines Bruders zu Ende, indem er hinzufügte: »Sobald ein Draht nachgibt, fällt der Flügel runter, und schon geht es abwärts.«
Harry Frost hatte seine Frau bei Fliegertreffen stundenlang beobachten können. »Diese Vogelmenschen wissen das aber. Jedes Mal, wenn sie starten, kontrollieren sie die Drähte sehr genau.«
Die Brüder wechselten einen schnellen Blick. Sie hatten zwar nicht viel Ahnung von Flugmaschinen, aber sie kannten sich allgemein mit Maschinen aus, und das reichte ihnen, um zu wissen, wie man sie lahmlegte.
»Natürlich sehen sie nach«, sagte George. »Sie suchen nach gerissenen Drähten, nach Knickstellen, nach irgendwelchen Schwachpunkten.«
Peter sagte: »Wir wissen, was Sie meinen, Mr. Frost. Wir haben auch nicht vor, eine Säge zu benutzen.«
»Aber«, sagte George, »sie kontrollieren nicht immer die Beschläge, die den Draht an der Tragfläche fixieren.« Er sah zu seinem Bruder hin, der daraufhin meinte: »Wir entfernen einen stählernen Ankerbolzen.«
»Und ersetzen ihn durch einen Bolzen aus Aluminium, der genauso aussieht, aber nicht so widerstandsfähig ist.«
»Sie sehen nichts.«
»Sie starten.«
»Sie machen in der Luft eine abrupte Lenkbewegung.«
»Der Bolzen bricht ab.«
»Der Flügel verabschiedet sich.«
»Und sie fallen wie ein Stein vom Himmel.«
Mit einer Straßenbahn fuhr Frost nach Flatbush zurück.
Dabei fühlte er sich unerwarteterweise ausgesprochen gut.
Er war wieder im Rennen. Zu lange war er untätig gewesen. Zum ersten Mal seit Josephines Betrug fühlte er sich wie ausgewechselt und wieder rundum lebendig, auch wenn er sich verstecken musste. Das Wichtigste war wie immer, schnell zu handeln, bevor noch jemand ahnte, was er beabsichtigte, und niemals das zu tun, was die Gegenseite von ihm erwartete.
Er führ mit einem elektrischen Zug der Long Island Rail Road hinaus nach Jamaica im Stadtbezirk Queens. Bei einem Autoverleih mietete er den teuersten Wagen, den sie hatten – einen Pierce. Damit fuhr er an Milchfarmen und Gemüsefeldern des Nassau County vorbei nach Garden City und bog in die Wagenauffahrt des Garden City Hotels ein. Es war eine elegante Herberge. Vor Josephine, vor dem Chauffeur und dem Sanatorium hatte er sich dort mit den Schuylers, den Astors und
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