Todesrennen
schaltete seinen Gnome-Umlaufmotor abwechselnd aus und ein, während er landete.
»Wenn dieser Job abgeschlossen ist, kaufe ich mir so einen Apparat.«
»Ich beneide dich«, sagte Archie. »Ich würde es auch gerne mal mit dem Fliegen versuchen.«
»Tu’s doch. Wir können es gemeinsam lernen.«
»Ich kann nicht. Es sieht ein bisschen anders aus, wenn man verheiratet ist.«
»Was redest du da? Lillian hätte sicher nichts dagegen. Sie fährt doch Rennautos. Bestimmt würde es sie sogar selbst reizen.«
»Die Dinge ändern sich schon mal«, sagte Archie ernst.
»Was meinst du?«
Archie sah sich um und senkte die Stimme. »Wir wollten es niemandem erzählen, ehe wir sicher sein können, dass alles okay ist. Aber ich werde jetzt ganz sicher nicht mit einem neuen gefährlichen Hobby anfangen, wenn es so aussieht, als würden wir bald Kinder haben.«
Isaac Bell packte Archie unter den Achselhöhlen und hob ihn begeistert in die Höhe. »Wunderbar! Herzlichen Glückwunsch!«
»Vielen Dank«, erwiderte Archie. »Du kannst mich jetzt wieder runterlassen.« Einige Leute schauten schon zu ihnen herüber. Es geschah nicht oft, dass sie sahen, wie ein hochgewachsener Mann einen anderen in die Luft stemmte und wie einen unartigen Schoßhund schüttelte.
Isaac Bell war außer sich vor Freude. »Warte nur, bis Marion davon erfährt! Sie wird selig sein! Wie werdet ihr es nennen?«
»Damit warten wir, bis wir wissen, welche Art von ›es‹ es ist.«
Die nächste Maschine näherte sich der Grasnarbe.
»Wer lenkt diese blaue Farman?«
Die Farman, ein weiteres in Frankreich gebautes Flugzeug, war ein einmotoriger Pusher-Doppeldecker. Sie erschien äußerst stabil und sank so gleichmäßig, als bewege sie sich auf Schienen.
»Sir Eddison-Sydney-Martin.«
»Er könnte ein Sieger sein. Hat sämtliche englischen Überlandrennen gewonnen und immer nur die besten Maschinen geflogen.«
»Arm wie eine Kirchenmaus«, bemerkte Archie, »aber gut verheiratet.«
Der gesellschaftlich prominente Archibald Angel Abbott IV., zu dessen Vorfahren die ersten Herren von New Amsterdam gehörten, konnte sich genauso kenntnisreich über Deutsche, Franzosen und Briten das Maul zerreißen wie über blaublütige New Yorker, und zwar dank einer langen Hochzeitsreise durch Europa – genehmigt und unterstützt von Joe Van Dorn als Belohnung für das Knüpfen von engen Beziehungen mit gleich gearteten Agenturen in Übersee.
»Der Schwiegervater des Baronets ist ein reicher Arzt aus Connecticut. Seine Frau kauft die Maschinen und kümmert sich um ihn. Er ist außerordentlich schüchtern. Aber sieh mal, da wir gerade von wohlhabenden Gönnern sprechen, da kommt einer, der von Uncle Sam unterstützt wird – U. S. Army Lieutenant Chet Bass.«
»Das ist doch die Signal Corps Wright, die er lenkt.«
»Ich kenne Chet noch aus der Schule. Wenn er anfängt, sich über die Zukunft von Fliegerbomben und Lufttorpedos auszulassen, müsste man ihn schon erschießen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Obwohl er in vielem sicherlich recht hat. Bei dem ständigen Kriegsgerede in Europa entwickeln Army-Offiziere ein gesteigertes Interesse für die Luftfahrt.«
»Ist diese rote Maschine ebenfalls eine Wright?«, fragte Bell, verwirrt von einer seltsamen Kombination aus Ähnlichkeiten und deutlichen Unterschieden. »Nein, das kann nicht sein«, sagte er dann, als die Maschine näher kam. »Der Propeller ist vorn. Das ist ein Tractor-Doppeldecker.«
»Das ist der Werktätigen-Kandidat, gelenkt von Joe Mudd. Zuerst war es eine Wright, ehe sie mit einer Eiche kollidierte. Einige Gewerkschaftsmitglieder, die ihren Ruf aufmöbeln wollten, erwarben das Wrack und bauten es mit Hilfe von Ersatzteilen wieder auf. Sie nennen ihr Produkt jetzt den ›American Liberator‹.«
»Welche Gewerkschaften sind das?«
»Die Maurer, Steinmetze und Stuckateure haben sich mit der Brotherhood of Locomotive Firemen zusammengetan. Es ist eine gute Maschine, wenn man bedenkt, dass sie nur einen geringen Etat zur Verfügung haben. Whiteway versucht, sie ausschließen zu lassen.«
»Mit welchem Argument?«, fragte Bell.
»›Wenn Werktätige in den Besitz zusätzlicher Gelder gelangen‹«, imitierte Archie Whiteways großspurige Art zu reden, »›sollten sie es lieber der Anti-Saloon-League spenden.‹«
»Den Temperenzlern? Ich habe Preston Whiteway schon stockbesoffen erlebt.«
»Aber von Champagner, nicht von Bier. So wie er es sieht, ist Trinken ein Privileg, das nur denen
Weitere Kostenlose Bücher