Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesriff

Todesriff

Titel: Todesriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
und schloss die Tür hinter sich. Seine Armbanduhr zeigte neun Uhr einundfünfzig morgens. Er hatte geduscht und sein bespritztes T-Shirt im Waschbecken ausgewaschen, um es später irgendwo in eine Mülltonne zu werfen. In weiser Voraussicht hatte er ein dunkles getragen. Er erinnerte sich, wie Jennifer gestöhnt hatte, wenn er hin und wieder Blutflecken auf seinen Hemden gehabt hatte.
    An der Rezeption checkte er aus, zahlte bar und stieg in seinen Wagen. Bis in den tropischen Norden hatte er über tausend Kilometer vor sich. Irgendwann schreckte er auf. Die hektischen Quasseleien des Radio-Moderators drangen wieder an seine Ohren. Wie viele Stunden fuhr er nun schon diese Straße entlang? Auf dem Dunkelgrau des Asphalts tauchten Erinnerungen auf wie die gelben Striche der Fahrbahnmarkierungen, in immer gleichen Abständen, mit leeren Stellen dazwischen.
    Er dachte daran, wie er ihr zum ersten Mal begegnet war.
    Sein Vorgesetzter hatte ihn ins Zimmer gewunken.
    „ Unsere neue Dolmetscherin”, hatte er stolz erklärt, „ Mira Kelmendi.” Sie stand am Fenster mit einem Becher Kaffee in der Hand. Ihr dunkles Haar lag schwer auf ihren Schultern. Sie war etwa einsfünfundsechzig groß
,
kurvig, sie trug ein dunkelblaues T-Shirt und Jeans und hatte ein schmales, blasses Gesicht mit einem kleinen, runden Mund und einer länglichen Nase. Er erfuhr, dass sie vor dem Krieg mit ihrem Mann, einem Notar, in Belgrad gelebt und selbst als Sekretärin und Dolmetscherin in einer Firma, die Turbinen herstellte, gearbeitet hatte. Im Alter von zwölf Jahren war sie mit ihren Eltern nach Deutschland gegangen. Fünfzehn Jahre später kehrten sie wieder ins damalige Jugoslawien zurück. Dort lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen. Er wurde im Krieg getötet, sagte sie.
    Ihre grün braunen Augen sahen ihn direkt an. Er hatte dort viele Frauen gesehen, aus deren Blicken Entsetzen und Angst starrten - doch Mira Kelmendis Augen waren furchtlos.

27
    Shane parkte den Wagen vor dem hohen Drahtzaun, der die Bootswerft Nigel Hurst’s Yachting am Brisbane River von der Straße abgrenzte. Von hier aus konnte er sogar sein Apartmenthaus auf der anderen Seite des Flusses sehen. Es war heiß. Tamara war im Büro geblieben.
    „ Suchen Sie jemanden?”, fragte ein Mann in einem farbbespritzten Overall.
    „ Ja, John Palmer.”
    „ Hat
d
er was ausgefressen?”
    „ Wieso?”
    „ Sie sehen aus wie ein Cop.”
    Shane
musterte ihn und entschied sich gegen eine Antwort.
    “Und? Hat er was ausge fressen?” D
er Mann machte einen nervösen Eindruck
.
    „Warum glauben Sie das?“, fragte Shane.
    „Typisch Polizei, ihr gebt nie `ne richtige Antwort auf `ne normale Frage.“ Mit einer Kinnbewegung deutete der Mann zur Halle aus Wellblech.
    Es gab nur einen einzigen Menschen in der riesigen Halle. Er schliff mit einer Maschine den dunkelblauen Bug einer Yacht. Der Lärm war unerträglich. Der Arbeiter trug keinen Lärmschutz. Er musste schon taub sein.
    „ John Palmer?”, schrie Shane gegen die Schleifmaschine an.
    Ohne die Maschine auszuschalten, drehte sich der Arbeiter um. Sein Haar war vom Staub grau; über Nase und Mund hatte er einen weißen Staubschutz gestülpt, und um die Augen zu schützen, trug er eine große Kunststoffbrille, die wie eine Tauchermaske aussah. Erst jetzt schaltete er die Schleifmaschine aus, behielt sie aber in der Hand
.
    „Wer will das wissen?

    Shane kam näher. Es roch nach Farbe, und in der Luft flimmerten feinste Partikel des abgeschliffenen Lacks. „ John Palmer?”, fragte Shane noch einmal.
    Ohne darauf zu antworten, schob der Mann die Brille aufs Haar und zog den Staubschutz nach unten . Shane fielen die tiefen Narben im Gesicht des Mannes auf.
    „ Gefällt S ie ihnen?” Palmer strich ü ber den abgeschliffenen Rumpf. „ Hundertvierundzwanzig Fuß. Von Delta Marines vor sechs Jahren gebaut. Die Besitzer waren letzten Sommer in Alaska. Nächstes Jahr geht es in die Karibik und dann rüber nach Europa.” Er hielt plötzlich inne. Sein Blick verdüsterte sich.
    „ Sie interessieren sich einen Scheiß für Boote, hab ich Recht?”
Er sah Shane
prüfend an.
„Cop, was? Ich hab `nen Blick dafü r. Kommen Sie wegen Markus Auer ?“
    Shane klappte seine n Ausweis auf. P almer warf einen Blick darauf. „ Letzte Woche hat schon einer nach dem gefragt.”
    Das überraschte Shane. „ Wer?”
    Palmer legte noch immer nicht die Schleifmaschine aus der Hand. Ein Sonnenstrahl fiel von der Seite auf sein

Weitere Kostenlose Bücher