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Todesritual: Thriller (German Edition)

Todesritual: Thriller (German Edition)

Titel: Todesritual: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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Papageien-Schild hin und her riss und in kleinen Rinnsalen vom Schnabel und den Krallen troff. »Joe ist tot. Vor Kurzem gestorben.«
    »Oh, das tut mir leid zu hören. Er war wirklich ein netter Kerl«, sagte der Verkäufer und schien es ernst zu meinen.
    »Ja, das war er. Deswegen bin ich auch hier. Wie gut kennen Sie Vanetta?«
    »Persönlich? Nicht so gut. Wir reden uns beim Vornamen an, wenn auch nicht viel mehr als ›Hallo‹ und ›Wie geht’s?‹«, sagte er. »Aber sie hat meiner Familie den Neuanfang hier ermöglicht. Ich bin vor dreiundzwanzig Jahren mit meinen Eltern aus Haiti hergekommen. Nach unserer Ankunft haben wir im Caille Jacobinne gelebt, in dem Zentrum, das sie für uns gebaut hat. Sie hat uns geholfen, Arbeit und eine Wohnung zu finden. Wir konnten zur Schule gehen. Wir verdanken ihr unser Leben. Sie hat viel Gutes getan für uns – für uns alle hier. Es gibt nicht viele Menschen wie sie. Die viel für dich tun und absolut nichts dafür erwarten. Wussten Sie, dass wir nicht einmal in Kuba bleiben müssen, wenn wir nicht wollen? Wir können jederzeit zurückkehren. Auch wenn das natürlich keiner will.« Der Verkäufer war den Tränen nahe.
    »Joe hat mir etwas hinterlassen, das ich ihr persönlich übergeben soll. Wissen Sie, wo ich sie finden kann?«, fragte Max.
    »Nein, aber Sie können es bei ihrer Familie versuchen.«
    »Bei den Dascals?«
    »Ja. Sie leben auf der Avenida Moncada. In der Nähe der Kaserne.«
    Castro hatte ein Faible für Einschusslöcher. Wo immer sie noch standen, waren die Fassaden sämtlicher Gebäude, auf die seine Guerillas im Jahr 1958 irgendwann einmal einen Schuss abgegeben hatten, in ihrem Nachkriegszustand belassen worden: voller Löcher und Risse und fünfzig Jahre alter Granatsplitter. Die Kreuzwegstationen der Revolution.
    Die festungsartige Moncada-Kaserne mit ihren Zinnen und Waffenkammern war das heiligste Gebäude von allen, die Krippe der Revolution, der Ort, an dem der bewaffnete Kampf gegen Batista offiziell begonnen hatte, als Castro an jenem 26. Juli 1953 den ersten Sturm auf die Kaserne anführte. Der Angriff scheiterte an schlechter Planung, mangelnder Bewaffnung und fehlender militärischer Stärke. Castro wurde festgenommen und nach einem Schauprozess eingekerkert. Die umgebenden Mauern der Kaserne hatten reichlich Schüsse abbekommen, weshalb die damalige Regierung sie instand setzen ließ. In den 1960er Jahren wurden sie von Castro persönlich eingerissen, der höchstselbst den Einweihungsbulldozer lenkte, und das Gebäude wurde zu einer Schule umfunktioniert. 1978 ließ Castro die Mauern in ihrer ursprünglichen Form wiederaufbauen, und ein Teil der ehemaligen Kaserne wurde zu Ehren der Feuertaufe der Revolution zu einem Museum umgebaut. Der Atmosphäre und der Authentizität halber wurden auch die neuen Mauern mit Kugeln durchsiebt, bis sie ungefähr so aussahen wie damals nach dem gescheiterten Angriff. Dann wurde die Festung senfgelb gestrichen und die Einschusslöcher mit schwarzer und brauner Farbe aufgefüllt, damit sie für immer sichtbar blieben. Kosmetische Wundmale: Die Regierung schießt auf ihre eigenen Erinnerungen.
    Gegenüber der Kaserne standen Bungalows im spanischen Stil in verschiedenen Stadien eines mühsam aufgehaltenen Verfalls. Einst hatten dort die Offiziere und deren Familien gelebt, heute befanden sie sich im Staatseigentum und beherbergten die obere Schicht des Regimes. Die Architektur war genauso austauschbar wie die Vegetation drum herum: die obligatorische Palme und ein Dickicht aus farbenfrohem, wild wachsendem Gebüsch, das ein gewisses Maß an Privatsphäre ermöglichte. Eine Ausnahme bildete nur das Eckhaus, ein zweistöckiges Lebkuchenhaus aus Holz, in Rot, Weiß und Blau gestrichen, mit überreichen Verzierungen, Schieferdach und verschnörkelten Balkonen in der Form geschwungener Weinreben. Dort lebte die Familie Dascal.
    Max parkte vor dem Haus und rannte mit Benny durch den prasselnden Regen die Veranda hinauf. Max klopfte. Sie warteten. Regentropfen prallten von den Fensterscheiben. Blumen waren aus ihren Töpfen geschwemmt worden, die Erde wurde von den Wurzeln gewaschen. Ein Schaukelpferd auf Rädern rollte im Wind vor und zurück.
    Eine große, schwarzhaarige Frau mit einem Küchentuch in der Hand machte ihnen auf. Sie lächelte, als würde sie jemand anderen erwarten. Das Lächeln erstarb, als sie Max und Benny sah, die tropfnass und immer nässer werdend vor ihr standen.
    Max machte den Mund auf,

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