Todesritual: Thriller (German Edition)
an seiner Zigarette. Benny stand breitbeinig am Tresen, seine Haltung hatte etwas Abwehrendes. »Wie mache ich mich?«
»Sie kriegen den dritten Preis«, sagte Max. »Ich bin Amerikaner, aber Bon Jovi kann ich nicht ausstehen. Country schon gar nicht. Die ganze Sauferei und das Gejammere und die Inzucht. Das ist nichts für mich. Und Soldat bin ich auch nicht. Und überhaupt, wie viele amerikanische Soldaten haben Sie in Ihrem Leben kennengelernt?«
»Viele. Hier kommen ständig welche rein. Sie wollen ihren Rap und ihren Rock. ›R und R‹ für ihr ›R und R‹. Was heißt das, wenn die R und R sagen?«
»Ruhe und Rehabilitation.«
Der Mann lachte. »Witzig. Davon kriegen die hier aber nicht besonders viel. Die haben eine eigene Kneipe, wussten Sie das?«
»Hier in Santiago?«
»Ja. An der Bucht. Heißt The Lone Star . Da hängen die alle rum. Vielleicht wollen Sie da auch hin, wenn Sie Sehnsucht haben nach einem Burger und einem Bud. Ist das die Kurzform für Budweiser oder für Buddy?«
»Beides«, sagte Max. The Lone Star. Max musste an die Soldaten denken, von denen Nacho ihm erzählt hatte, die den Schwarzmarkthandel mit dem Abakuá betrieben: die Texas-Playboys.
»Der Laden ist nicht zu übersehen. Sie müssen nur runter zum Jachthafen gehen und den schönen Frauen folgen. Früher oder später stehen Sie dann davor«, sagte der Verkäufer.
»Wieso ist das erlaubt, eine amerikanische Kneipe hier auf kubanischem Boden?«
»Keine Ahnung, wie das funktioniert.« Der Mann zuckte mit den Schultern. »Ich mache die Regeln nicht. Ich befolge sie nur, meistens. Die wichtigen.«
Er sah zu Benny hinüber, der aus dem Fenster schaute, dann wandte er sich wieder an Max. »Wollten Sie etwas, oder suchen Sie nur Schutz vor dem Regen?«
»Wir sind hier nur so vorbeigekommen«, sagte Max. »Arbeiten Sie schon lange hier?«
»Seit zehn Jahren. Warum?«
»Kennen Sie diese beiden?« Max zeigte ihm das Foto von Joe und Vanetta.
Der Mann lächelte unwillkürlich. »Natürlich. Das ist Schwester Vanetta mit ihrem Freund Joe. Sie sehen jünger aus als heutzutage. Sehr viel jünger.«
»Haben wir doch alle mal. Kannten Sie Joe?«
»So wie man jemanden kennt, den man alle zwei Jahre sieht. Immer wenn er in der Stadt ist, kommt er mit Vanetta hier rein. Er ist ein Fan von Bruce Springsteen. Vor einer Weile hat er mir ein Mixtape gemacht. Kennen Sie das noch, Kassetten?«
»Ich kenne noch die Tonbänder«, sagte Max.
»Irgendwann einmal haben wir angefangen, über Musik zu reden. Er war neugierig auf kubanische Klänge. Das war lange vor Buena Vista Social Club . Ich habe ihm eine Kassette mit meinen Lieblingsliedern aufgenommen. Salsa, Soul, Jazz, Hardrock, Rap und Punk. Es gibt alles hier in Kuba. Er war begeistert. Und dann hat er mir eine Kassette mit seinen Lieblingsliedern gemacht. Leider war es nur Bruce Springsteen, neunzig Minuten lang.«
»Ha, willkommen im Club.« Max lachte. Auch er hatte Erfahrung mit einem Liston-produzierten Springsteen-Mixtape gemacht, wenn auch vor vielen Jahren, 1978 oder 1979, eine Zusammenstellung von Studio- und Live-Aufnahmen. Joe hatte sogar die Hülle selbst gestaltet – ein Ausschnitt aus dem »Born to Run«-Cover, wo sich Bruce an Clarence lehnt – und die Liste der Songs selbst getippt. Er hatte sogar angegeben, von welchem Album sie stammten, für die Live-Songs hatte er Ort und Datum genannt. Angesichts dieses blinden missionarischen Eifers hatte sich Max verpflichtet gefühlt, sich die Kassette im Auto von vorn bis hinten anzuhören, obwohl er die Musik absolut furchtbar fand. Ein langweiliger Einheitsbrei. Nach neunzig Minuten war ihm dermaßen der Geduldsfaden gerissen, dass er die Kassette mitsamt Hülle aus dem Fenster geworfen hatte. Jetzt wünschte er, er hätte es nicht getan.
»Haben Sie die noch?«, fragte Max.
»Irgendwo, ja. Ich habe ihm nie gesagt, was ich wirklich davon halte, weil ich ihn mag, aber Springsteen ist nicht mein Ding. Zu gringo . Nichts für ungut. Und wenn Sie mich fragen, der Mann kann nicht singen.«
»Keine Sorge, ich mag ihn auch nicht.«
Der Verkäufer lachte. »Was für Musik mögen Sie?«
»Heutzutage nicht mehr sehr viel. Früher war Musik mein Leben. Heute kann ich auch ohne. Was heutzutage auf den Markt kommt, habe ich alles schon mal gehört.«
»Hat Joe Sie hergeschickt?«
»Ja und nein.«
»Wie geht es ihm? Ich habe ihn lange nicht gesehen.«
Max schaute hinaus in den Regen, der gegen die Scheibe prasselte, das
Weitere Kostenlose Bücher