Todesritual: Thriller (German Edition)
von Cajobabo. Das Gras wuchs hier hüfthoch, wild wuchernde Pflanzen wogten sanft im Wind. Durch die dichte Vegetation hatte jemand einen Pfad geschlagen. Er führte zu dem steinigen Strand hinunter, auf dem bergeweise getrockneter Seetang lag.
Sie warteten schweigend und beobachteten die Sonne, wie sie in Richtung Ozean sank, ein glühendes Bonbon, das den Himmel in allen erdenklichen Schattierungen von Rotbraun bis Purpur einfärbte, als sich das Tageslicht vor den ersten Sternen verneigte.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam ein paar Meilen weit draußen ein Containerschiff in Sicht und drehte ungefähr in der Mitte ihres Blickfelds bei. Wenige Augenblicke später sahen sie ein Boot im Wasser, das auf sie zuhielt.
Max drehte sich zu Benny um. »Dein Taxi ist da.«
Unten am Strand warteten zwei Männer auf sie, ein Dunkelhaariger, einer mit Glatze, beide mit einer M-16 bewaffnet. Sie waren in einem Schlauchboot mit Festrumpf gekommen, das sie auf den Strand gezogen hatten.
»Mingus? Ramírez?«, rief der Dunkelhaarige.
Max befahl Benny zu warten und ging zu den Männern.
»Sie nehmen nur ihn mit, ich bleibe hier«, teilte er ihnen mit.
»Ich hab Befehl für zwei.«
»Planänderung«, sagte Max und nickte in Bennys Richtung. »Nur er. Ramírez.«
Der Mann gab mit einem gleichgültigen Schulterzucken seine Zustimmung.
Max ging zurück zu Benny.
»Alles klar«, sagte er.
»Danke für was du für mich getan hast.«
»Verdient hast du es nicht.«
»Warum willst du, dass wir so auseinandergehen?«
»Weil du ein Stück Scheiße bist.«
»Das meinst du nicht so, in deine Herz.«
»Das meine ich überall.«
Der Dunkelhaarige tippte auf seine Armbanduhr.
»Ich bin nicht so schlechte Mensch«, sagte Benny. »Ist dieses Land, das bringt Leute dazu, so zu sein.«
»Schwachsinn«, sagte Max.
Benny schüttelte den Kopf und seufzte und tat, den Rücken zum Meer, ein paar Schritte von ihm weg.
»Gibt es nichts, was ich sagen kann? Damit du wieder gut von mir denkst?«
»Nein.«
»Okay. Wie du willst, wie du willst.« Er zuckte mit den Achseln. »Aber ich werde nicht vergessen, was du für mich getan hast.«
»Und komm bloß nicht auf die Idee, in Miami nach mir zu suchen.« Wenn ich jemals zurückkomme, dachte Max.
Benny streckte die Hand aus, seine Finger zitterten. Seine Mundwinkel zeigten nach unten, seine Augen waren feucht geworden. Ob es die Infektion war oder Reue oder gute Schauspielkunst, hätte Max nicht zu sagen vermocht. Überzeugend war es allemal: Benny verletzlich und voll der Reue, und so aufrichtig, dass er leicht alle Zweifel vertreiben und zu seinen Gunsten wenden konnte. Und fast hätte sich in diesem Moment etwas in Max bewegt, aber sein Stolz fing es ein und hielt ihn zurück. Er nahm die Hand nicht. Er straffte das Kinn und schaute an Benny vorbei zu den Männern neben dem Boot und dem Schiff in der Ferne, das darauf wartete, in Richtung Miami in See zu stechen.
Benny seufzte noch einmal, und die Luft zitterte, als sie durch seine Kehle strich.
Dann ging er davon, unter seinen Füßen knirschten die Steine. Er ging mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf.
»Hey«, rief Max ihm nach.
Benny blieb stehen und drehte sich um.
»Mach’s besser demnächst, okay?« Sobald es raus war, fragte sich Max, warum er das gesagt hatte. Er selbst hatte in seinem Leben bessere Möglichkeiten gehabt als Benny, und noch dazu die Chance und einen sehr guten Grund, sich zu ändern, aber er hatte die Chance nicht ergriffen, und seine Frau war auf dem Weg zu ihm ins Gefängnis gestorben. Die Menschen änderten sich nicht, sie wurden nur besser oder schlechter dabei, sie selbst zu sein.
»Vaya con Dios, Max.«
» Adiós, Benny.«
Max drehte sich um und ging auf den Hügel zu. Hinter sich hörte er Bennys Schritte leiser werden, dann den Motor, der brummend zum Leben erwachte.
Oben auf dem Hügel stand Cruz mit einem breiten Grinsen im Gesicht da, der Wind fuhr ihr durchs Haar.
»Eine bewegende Szene – Sie und Ihr Freund, der auf große Fahrt geht«, sagte sie. »Sind Sie sicher, das sich da nicht ein bisschen was entwickelt hat zwischen Ihnen beiden?«
»Ach, Sie können mich mal gernhaben«, sagte er.
Lachend gingen sie gemeinsam zum Wagen.
53
Sie fuhren zu einem betonierten Parkplatz mit Blick über den Fluss Cajobabo. Sie waren eine Stunde zu früh dran. Gegen Mitternacht sollte ein Mann namens Marco kommen, um sie auf die Insel zu bringen. Sie mussten nur noch warten. Cruz machte
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