Todesritual: Thriller (German Edition)
von Schmugglern und Geldwäschern hochgenommen.
Während der Ermittlungen hatte Max die beiden eines Abends einander vorgestellt. Das zumindest hatte er geglaubt. Und sie hatten auch so getan, als kennten sie sich nicht. Vorsichtig tastender Smalltalk auf der Suche nach einem gemeinsamen Thema, über das man sich unterhalten konnte. Boxen war dieses Thema gewesen, und Alkohol hatte sie einander nähergebracht. Jetzt fühlte Max sich gekränkt. Er und Joe hatten sich alles erzählt. Sie hatten keine Geheimnisse voreinander gehabt. Hatte er gedacht.
»Worum geht es hier, Jack?«
»Wieso bist du in eine polizeiliche Ermittlung involviert?«
»Wer sagt, dass ich das bin?«
»Geh mir nicht auf den Wecker. Dein bester Freund wird vor deinen Augen erschossen, und du tust gar nichts? Sicher. Wenn du wüsstest, wer es war, wäre er schon tot.«
»Wer sagt, dass es ein Er war?«
Die Kellnerin brachte die Getränke. Quinones wartete, bis sie wieder außer Hörweite war.
»Es heißt, Vanetta Brown sei in der Stadt«, sagte er.
»Du kennst sie?«, fragte Max.
»Ich rede, du hörst zu. Wenn ich fertig bin, sind wir fertig. Keine Fragen. Kapiert?«
»Ja.«
»Als sie noch in Overtown lebte, war ich an einer COIN TELPRO -Operation für das Büro hier in Miami beteiligt. Abteilung schmutzige Tricks. Wir haben Gruppen der Black-Power-Bewegung unterwandert. Aber nicht nur die. Wir hatten auch den Klan und die Amerikanische Nazi-Partei im Visier – keiner wurde benachteiligt. Wir schleusten Undercover-Agenten ein und behielten sie genau im Blick. Aber das war nicht alles, wir haben auch lustige Sachen gemacht, zum Beispiel mit Gerüchten und haltlosem Tratsch den Ruf mehrerer Menschen ruiniert. Wenn wir sie nicht wegen Verbrechen oder Verbindungen zu den Kommunisten oder verbotenem Sex drankriegten, haben wir uns eben was ausgedacht. Manchmal sind die Gerüchte sogar wahr geworden.« Quinones grinste. »Die Öffentlichkeit ist einfach grundbescheuert. Die glauben alles. Deshalb haben die auch Bush junior gewählt.«
»Du bist mir ein FBI-Mann, Jack.«
»Ich gewöhne mich langsam an den Gedanken, in Pension zu gehen.«
Max leerte seine Kaffeetasse.
»Ich war für die V-Leute bei den Schwarzen Jakobinern zuständig – der Gruppe von Brown«, sagte Quinones. »Die Mitglieder in Miami waren jung. Und wütend. Schwarze Jugendliche, deren Eltern sich noch gut an die Mauer durch Liberty erinnerten. Die nicht vergessen hatten, wie sie von Proleten-Bullen als ›Nigger‹ und ›Boy‹ bezeichnet wurden. Die ihr ganzes Leben lang versucht hatten dazuzugehören, die versucht hatten, weiß zu sein, sich beim Friseur die Haare glätten ließen und unterwürfig waren wie Onkel Tom. Und trotzdem mussten sie im Bus immer noch ganz hinten sitzen und durften nicht aus den gleichen Wasserspendern trinken wie die Weißen. Deren Kinder wollten da nicht mitmachen; als sie groß wurden, sagten sie: Zum Teufel damit, so will ich nicht leben.
Die Jakobiner haben wir mit einer Handvoll junger Schwarzer infiltriert, die frisch von der Polizeischule kamen und noch keine Stelle zugewiesen bekommen hatten. Die Grundlagen waren denen schon eingehämmert worden, und wir haben sie zu Spitzeln gemacht. Wir haben ihnen einen Job beim FBI versprochen oder eine schnelle Beförderung zum Detective. Mein V-Mann war Joe Liston.«
»Joe …?« Der Rest des Satzes blieb Max im Halse stecken.
»Er sah eine scheinbar gute Gelegenheit und hat zugegriffen«, sagte Quinones.
»Joe? Seine eigenen Leute verraten? Das kauf ich dir nicht ab, Jack.«
»So war es nicht. Erstens hat Joe niemanden verraten. Meinst du, Hoover hat das COINTELPRO ohne guten Grund ins Leben gerufen? Und mit Rassismus hatte das auch nichts zu tun. Hoover ist gegen weiße Extremisten genauso hart vorgegangen wie gegen schwarze – Panther, Klan, Nazis, für ihn war da kein Unterschied. Wie gesagt, volle Gleichberechtigung. Find dich damit ab. Bei den Extremisten gibt es keine Guten.«
»Und Martin Luther King? Der war doch kein Extremist!«
»Für uns war er das, damals«, sagte Quinones. »Genau wie auch Jesus zu seiner Zeit, wenn dich das tröstet. Und sieh, was mit dem passiert ist.«
»Wann hast du Joe rekrutiert?«
»Das war 1965. Er war kein Freiwilliger. Er hatte bei seiner Bewerbung für den Polizeidienst gelogen und angegeben, keine Vorstrafen zu haben. Er hatte aber zwei Strafzettel nicht bezahlt. Er meinte, er hätte einfach vergessen zu bezahlen und bla-bla, aber im Grunde
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