Todesritual: Thriller (German Edition)
war seine Karriere damit erledigt, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Ein Polizist muss aufrichtig und gesetzestreu sein. Zumindest damals.« Er zwinkerte Max zu. »Und so haben wir ihn vor die Wahl gestellt: Arbeite eine Weile für uns, und wir wischen deine Tafel sauber. Joe war eineinhalb Jahre bei uns. Ich war sein direkter Vorgesetzter. Und sein einziger Kontakt.
Er ist dem inneren Kreis ziemlich nah gekommen, Vanetta Brown hat ihm vertraut. Und er hat die ganze Zeit über keinen einzigen Hinweis auf irgendwelche kriminellen Aktivitäten gefunden. Auch unsere anderen Jungs nicht.«
»Und, äh, 1967 hat Joe dann aufgehört, für euch zu arbeiten?«
»Ja und nein. Er sagte, er sehe keinen Sinn in der Operation. Die Schwarzen Jakobiner stellten keine Bedrohung für unsere nationale Sicherheit dar. Sie täten ziemlich viel Gutes in ihrem Viertel. Was absolut stimmte. Also ging er zur Polizei von Miami. Er hätte auch einen Job beim FBI kriegen können, wenn er gewollt hätte. Er hatte das richtige Temperament dafür. Und den Verstand. Oder er hätte in einen anderen Staat gehen können, aber Miami kannte er, und hier wollte er bleiben. Nicht mal eine schnelle Beförderung wollte er. So war Joe. Ehrlich und prinzipientreu bis zum Umfallen.«
»Und was war mit den Drogen?«
»Joe hat da nie irgendwelche Drogen gesehen. Und auch unsere anderen V-Leute nicht«, sagte Quinones.
»Soll heißen, der Stoff wurde ihnen untergeschoben?«
Quinones antwortete nicht.
Was so viel bedeutete wie ja.
Max war nicht überrascht.
»Und die Verbindungen nach Kuba, das Geld, das die Jakobiner angeblich von da kriegten?«
»Wir haben diese Gerüchte in den Medien gestreut«, sagte Quinones.
»Nichts davon stimmte?«
»Nein.«
»Warum habt ihr das getan?«
»Das war mein Job«, sagte Quinones. »Es gibt zwei Farben, die das weiße Amerika hasst: Schwarz und Rot. Die beiden zusammen bedeuten richtig Sprengstoff. Man muss sich nur anhören, was die rechten Medien heute über Obama sagen – ›Sozialist‹ sei er. Wieder Schwarz und Rot. Das hört nie auf und verfehlt nie seine Wirkung.«
Die Kellnerin räumte Max’ Tasse ab. Er bestellte noch einen Kaffee.
»Wie konnte das gehen? Joe hängt seinen Undercover-Job an den Nagel und ist als Polizist in den gleichen Straßen unterwegs, in denen er vorher demonstriert hat?«
»Joe hat Vanetta Brown erzählt, dass er aufhören will, um zur Polizei zu gehen.«
»Wie bitte?«
»Das war seine Idee. Joe hat es ihr so verkauft, dass er damit von innen was bewirken konnte, dass er Gutes tun konnte und alles, was er gelernt hatte, bei der Polizei anwenden. Er hat ihr auch versprochen, für sie zu spionieren, ihr zu erzählen, was so lief. Sie war voll dafür. Hat ihm ihren Segen gegeben. Die Schwarzen Jakobiner waren nie gegen die Polizei. Trotz allem, was Vanetta Brown passiert ist. Sie glaubte an Reformen, nicht an die Revolution.«
»Sie hat also nie Verdacht geschöpft?«
»Sie hat nie erfahren, dass er für uns gearbeitet hat, nein. Und das ist alles, was ich dir erzählen werde, Mingus, weil das alles ist, was Joe mich gebeten hat zu erzählen.«
»Du meinst, da gibt’s noch mehr?«
»Es gibt immer mehr. Aber von mir wirst du nicht mehr erfahren. Du zahlst.«
Quinones erhob sich.
»Eins noch: Ich komme zur Beerdigung nächste Woche. Tu mir einen Gefallen: Setz dich nicht neben mich, rede nicht mit mir und sieh mich nicht an. Auf Wiedersehen.«
»Ja, fick dich auch, Jack«, sagte Max zu Quinones’ Rücken.
Er starrte in die kleine schwarze Pfütze auf dem Boden seiner Tasse, sah sich im Restaurant um. Es war leerer geworden. Die Hintergrundmusik deutlicher zu hören. So wie auch das Kreischen der Möwen lauter war als die Gespräche der Touristen.
Er kam sich leer vor, ihm war schwindelig. Alles um ihn herum krachte zusammen. Alles, was er je gekannt hatte, dessen er sich sicher gewesen war. Kein Stein blieb mehr auf dem anderen.
17
Max stand an eine Palme gelehnt da und grub die nackten Füße in den feinen, warmen Sand.
Er war seit Ewigkeiten nicht mehr am Strand gewesen. Es erinnerte ihn zu sehr an Sandra. Als sie noch zusammen in seiner Wohnung auf dem Ocean Drive gewohnt hatten, war sie immer gern ans Meer gegangen. Bevor sie ihn kennengelernt hatte, hatte sie ihr ganzes Leben in und um Little Havana verbracht; ein Ausflug zum Strand war etwas ganz Besonderes gewesen, eine aufwendige Angelegenheit, die man nur an Feiertagen oder am Wochenende zusammen mit
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